Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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914. Der Geldkeller auf dem Löbauer Berge. 
Gräße, Bd. II, Ar. 784 (siehe auch Ar. 35 im vorliegenden Buche). 
1. Auf dem Löbauer Berge und zwar in der Gegend des so— 
genannten Geldkellers, einem Felsen am Prinzensteige, spielten einst 
zwei Knaben. Dem einen von ihnen entnahm der Wind sein 
leichtes Strohhütchen und führte es in die Tiefe einer Felsenkluft. 
Der Knabe weinte und schrie, doch dadurch gelangte er immer noch 
nicht wieder zu seinem Eigentum. Aus Furcht vor Strafe, die er 
mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten hatte, wenn er ohne sein 
Hütchen nach Hause Rehren wollte, gab er sich nun alle mögliche 
Aühe, es wieder aufzufinden, kletterte und kroch von einem Steine 
auf den andern und gelangte endlich in die Tiefe der Kluft, ohne 
aber sein liebes Hütchen ausfindig zu machen. Jetzt entdeckte er 
eine in den Fels hineingehende Höhle. Da glaubte er das 
Gesuchte finden zu müssen und geriet so, ohne daß er es dachte, 
von Tiefe zu Tiefe, bis sich endlich ein ungeheurer und weiter Fel- 
senkeller seinen staunenden Blichen eröffnete. Hier sah er zwar 
immer wieder noch nichts von seinem Hütchen, wohl aber erblichte 
er eine ganze Gesellschaft Herren, die um einen großen Tisch herum- 
saßen und zu spielen schienen, jedoch kein lautes Wort von sich 
hören ließen. Im Hintergrunde des Kellers aber standen ganz un- 
ermeßliche Braupfannen voll von blanken Talern und Goldstücken. 
Die stummen Herren winkten dem Knaben freundlich, sich von den 
aufgehäuften Schätzen zu nehmen und einzustecken; doch ein gräßlich 
feuerschnaubender Hund vertrat ihm furchtbar den Weg, daß er 
fast allen Mkut verlor; von neuem aber wintkten die Herren, und 
der furchtbare Hund zog sich etwas zurück. Auf dringendes und 
wiederholtes freundliches Zureden wagte es endlich der Knabe, sich 
heranzuschleichen, ging dann hart bei dem Hunde vorbei, so daß 
er fast über ihn hinwegsteigen mußte und steckte sich von den 
blanken Talern und Goldstüchen so viel ein, als nur in seinen 
kleinen Taschen Platz hatte. Aun schon dreister gemacht, da alles 
ohne Gefahr für ihn abgelaufen war, machte er sich auf den Büch- 
weg, der ihm auch weder von dem feuerschnaubenden Hunde noch 
von den stummen Herren an dem großen runden Tische streitig ge- 
macht wurde. Froh über sein unerhofftes Glück, das ihn statt 
seines strohernen Hütchens einen so großen Schatz finden ließ, stieg
	        
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