Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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wahrhaft liebe und ehelichen wolle; und als er endlich vor Kummer 
über seine ungeratene Tochter gestorben, da ist, weil die Mutter die 
reichen Geschenke des Ungarn gar gerne gesehen, das Mägdlein 
ganz umgarnt worden, hat sich dem Verführer hingegeben und wie 
sein ehelich Weib mit ihm gelebt. Als sie aber jener satt bekommen, 
da ist er plötzlich bei Nacht und Aebel verschwunden, und das 
Mädchen hat aus Not bald allen ihren Flitterstaat verkaufen 
müssen; weil sie aber an Uichtstun und Wohlleben gewöhnt ge- 
wesen, auch einmal von allen ihren Bekannten verachtet worden, 
hat sie sich wieder nach anderen umgesehen und aus ihrer schönen 
Gestalt möglichst viel Autzen zu ziehen gesucht. Weil sie aber inner- 
lich sich doch gehärmt, ist ihre Schönheit vergangen, und darum sind 
auch der Liebhaber immer weniger geworden, also daß sie oft in 
Aot gekommen. Da ist eines Abends ihr alter Freier zurückgekehrt, 
der hat getan, als wenn nichts vorgefallen, und ihr selbst ihre Un- 
treue vergeben, ist auch des Nachts bei ihr geblieben, des Morgens 
aber in der Frühe ohne Abschied seines Weges gezogen, weil er 
eine große Reise vorgehabt, hat aber zuvor der Mutter des Mädchens 
einen großen Beutel voll Gold gegeben und ein verschlossenes Käst- 
lein, das solle sie ihr geben zu seinem Angedenken. Das Mlädchen 
hat alsobald das Kästlein geöffnet und darin ein kostbares rotes 
türkisches Tuch gefunden, so fein, wie sie nie dergleichen zuvor ge- 
sehen, hat auch sogleich ihren besten Putz angelegt und sich mit dem 
Tuche geschmückt und ist auf die Gasse gegangen, um den Leuten 
zu zeigen, wie sie wieder in besseren Umständen und zu Geld und 
Schmuch gekommen. Aber sie hat sich der schönen Sachen nicht 
lange freuen können, denn plötzlich ist ihr übel geworden und sie 
umgefallen, und nach wenigen Stunden ist die Pest, welche ihr der 
Ungar in dem Tüchlein aus Rache über ihre Treulosigkeit zugetragen, 
ausgebrochen und sie selbst zuerst daran gestorben. Weil aber die 
Sache ausgekommen und man gemeinet, daß sie die ganze Stadt 
noch nachholen werde, hat man sie alsbald wieder ausgegraben und 
ihr das Haupt mit dem Grabscheit abstoßen lassen. 
* Vach dem Pirnaer Stadtbuch A. kol. 20 ist die Pest am 28. Juli 
1532 ausgebrochen, hat mit der Christoph Wernerin angefangen und gegen 
1300 Menschen weggerafft.
	        
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