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nach ihnen das erstere „Die Mutter“, das zweite „Der Sohn“.
(Das Waldtal des „Sahn“, die „Mark Sahnau“, liegt südlich von
Frankenhausen.) Im 14. Jahrhundert nun, oder früher noch, da
die Gegend von Rittern und Räubern noch wimmelte, war auch
ein Herr von Posterstein gar rauhen Wesens; selbst seine Gemahlin,
die von Selka stammte, behandelte er gar übel, und ein Töchterchen
nur, das sie ihm geschenkt hatte, einte beide. Da fanden einst des
Ritters Knappen auf dem Wege nach Vollmershain einen weinenden,
drei= bis vierjährigen Knaben, den man, obschon der Ritter eher
Lust hatte, ihn umzubringen, doch dem Fräulein zum Gespielen gab
und ihn mit ihr erziehen ließ; ja, die sterbende Mutter bestimmte
ihn nachher zu deren Bräutigam. Der Vater aber billigte dieses
durchaus nicht, und es dauerte nicht lange, da schoß er aus den
Schloßfenstern nach seinem Schwiegersohne, daß diesem der hohe
Hut vom Kopfe fiel. Er gab dies hernach zwar nur für einen
Scherz aus, kam aber noch in selbiger Aacht mit einem Dolche, um
Tochter und Schwiegersohn zu ermorden. Die Tochter, bei der der
Wüterich zuerst eindrang, fiel ihm zu Füßen und hüßte diese, so
daß er sie nach altem Brauche verschonen mußte; das ARebenzimmer
aber fand er leer, denn der junge Mann war inzwischen entwischt.
Da stieß der Postersteiner ins Hifthorn, und wie alle Mannen auf-
gesessen und alle Hunde losgelassen waren, begann eine schrechliche
Hetze. Das Grundstüchk, jetzt „Der Sohn“ genannt, war es, wo den
Flüchtigen denn endlich die Kräfte verließen; er fiel, da er die Ver-
folger schon dicht hinter sich hörte, zur Erde — aber merkwürdig,
er fiel da in einen vorher nicht bemerkten Schlund hinab, in den
Schornstein einer dort verborgenen Bäuberhöhle nämlich! Vor
seinen Verfolgern war er darin geborgen, und von den Näubern
wurde er zwar scharf befragt, zuletzt aber gern als Knecht ange-
nommen und auch gut behandelt. Da nun der Hauptmann dieser
Räuber starb, war man mit dem Flüchtlinge so wohl zufrieden ge-
wesen, daß man ihn zu des Verstorbenen Nachfolger erwählte. Der
neue Hauptmann unternahm jetzt viele Züge, die Unschuld zu rächen;
und eben belagerte er den Lahnstein bei Crimmitschau, als ihm
durch eine Zigeunerin angesagt wurde, er möge rasch nach Poster-
stein sich wenden. Er erfuhr nämlich, daß der alte Ritter seine
ehemalige Braut zu einer Heirat zwingen wolle und daß er sie
wegen ihrer Weigerung in die unterirdischen Räume der Burg ge-
Meiche, Sagenbuch. 52