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fromm und brav, aber blutarm, denn er hatte sieben Kinder und
ein krankes Weib in seiner Hütte. Er wußte seiner Not kein
Ende und war nahe daran, an der göttlichen Hilfe zu verzweifeln.
Da im Traume erschien ihm einst ein Engel Gottes und sprach zu
ihm: „Gehe morgen in den Wald am Fuße des Schreckenberges.
Dort ragt eine Tanne hoch über alle Bäume des Waldes hervor.
In ihren Zweigen wirst du ein Aest mit goldnen Eiern finden:
dies ist dein, brauche es wohll!“
Als Knappe am andern Morgen erwachte, erinnerte er sich
des Traumes und ging hinaus in den Wald, das Aest mit den
goldnen Eiern auszunehmen. Bald hatte er die Tanne in der Aähe
der Wolfshöhle gefunden, und kletterte rasch in ihren Asten bis in
den höchsten Wipfel hinauf, fand aber nichts. Traurig, daß ihn
der Traum getäuscht habe, stieg er wieder hinab und setzte sich auf
die Wurzeln des Baumes nieder, um auszuruhen. Er sann hin
und her, und dabei fiel ihm ein, daß unter den Zweigen wohl
auch die Wurzeln der Tanne verstanden sein hönnten. Die Ver-
mutung ward bald zum festen Glauben, und eilig lief er und holte
aus seiner Hütte das Gezäh zum Schürfen. Eifrig begann er den
Schurf, und kaum hatte er die Dammerde durchbrochen, als mächtige,
nach allen Seiten streichende Silbergänge ihm entgegenblinkten.
Er sank auf seine Knie und dankte Gott; bald war die Kunde
von dem neuentdeckten Bergreichtume in allen Landen verbreitet,
und Tausende zogen herzu, um sich in der bisher so wilden Gegend
anzusiedeln. Dies veranlaßte den Herzog Georg den Bärtigen, eine
neue Bergstadt zu gründen. Am 21. September 1496 ward der
Grundstein zu dem ersten Hause gelegt, und die neue Stadt ANeu—
stadt am Schreckenberge, später aber Annaberg genannt. Zum An-
denken an Daniel Knappe aber heißen noch heute die Bergleute
im allgemeinen die Knappen und ihre Gemeinschaft die Knappschaft,
und die Geschichte ist in der Hauptkirche zu Annaberg an dem
hintern Teile des kleinen Altars, den die Knappschaft 1521 erbauen
ließ, abgebildet. Auch liegt in der alten Sakristei der Haupt-
kirche ein großer runder Stein, auf welchem dieselbe Geschichte aus-
gehauen steht.
II. Dr. Barth, welcher 1584 als Professor in Leipzig starb,
erzählt dagegen: Einem Bergmanne, mit Namen Daniel, habe ge-
träumt, er sollte in den finstern Wald gehen, da würde das Feuer