Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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1100. Das goldene Lamm. 
Gräße, Bd. I, Ar. 234; Brandner, Lauenstein, Lauenst. 1845, 8, S. 323 ff. 
Im Dorfe Fürstenwalde lebte vor langer Zeit ein Häusler 
namens Bär, bei dem seit vielen Jahren jährlich ein Fremder, 
angeblich ein Italiener, einkehrte, sich mehrere Wochen aufhielt 
und in dem Flußbette der Müglitz in der Gegend vom Kratz- 
hammer abwärts bis an das sogenannte Löwenbrüchchen Gold- 
körner und im Schlottwitzgrunde edle Steine suchte. Seine Be- 
mühungen wurden jedesmal von reichem Erfolge gelohnt; er bezahlte 
stets seinen Wirt reichlich, doch endlich sagte er einmal bei seiner 
Abreise, er werde nun nicht wieder hierher kommen, wohl möge 
ihn aber Bär in seiner Heimat besuchen, wozu sich schon Gelegen- 
heit finden werde. Nach länger als Jahresfrist erhielt nun Bär 
von seinem früheren Gaste die Nachricht, er solle nach Teplitz kommen 
und sich daselbst auf der Post melden, für sein Fortommen und 
Beböstigung sei gesorgt. Bär macht sich auf den Weg, findet alles 
wie angegeben und gelangt endlich in den Wohnort seines Freundes. 
Da er jedoch der Sprache nicht Rundig ist, hat er große Mühe, die 
Gasse und das Haus zu finden, wo sein Gastfreund wohnen sollte, 
trotzdem daß ihm die Aummer desselben angegeben war. Endlich 
nach langem Suchen findet er dieselbe, aber das Haus scheint ihm 
weit größer und prächtiger, als er sich gedacht hatte. Er tritt jedoch 
ein, um sich zu erkundigen, weil er aber in seiner schlechten, ge- 
wöhnlichen Kleidung war, so ward er von einem ihm entgegen- 
kommenden Bedienten, der ihn für einen Bettler hielt, aus dem 
Hause hinausgewiesen. Wie er nun nicht weiß, was er anfangen 
soll, hört er auf einmal aus dem genannten Hause eine bekannte 
Stimme rufen: „Vater Bär, bist du's?" und gleich darauf erscheint 
zu seiner großen Freude sein alter Freund. Dieser nimmt ihn sehr 
gut auf, allein Bär kann sich lange Zeit mitten unter der Pracht 
und Herrlichkeit, die ihn umgibt, gar nicht zurechtfinden. Endlich 
führt ihn jener, als er sich zum Abschied anschickt, in ein Kabinett, 
welches seine Schätze enthielt, und bittet ihn, unter mehreren dort 
aufgestellten, aus dem reinsten Golde gegossenen Figuren, sich eine 
zum Andenken mitzunehmen, da sie aus den Goldkörnern seien, 
die er in seiner Heimat gesammelt habe. Bär wählt nach langem 
Zureden ein goldnes Lamm und langt damit, sowie mit einer
	        
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