Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 937 — 
gehabt haben, deren einer, namens Martin, ins gelobte Land zog, 
um für die von seinen Vorfahren begangenen Untaten am Grabe 
des Erlösers Verzeihung zu erflehen. Nach langem Herumirren in 
der Fremde kehrte er endlich in sein Vaterland zurück und soll auf 
dem genannten Berge ein Pilgerhaus zur Aufnahme für Arme und 
Kranke gestiftet haben, welches, freilich in ausgearteter Gestalt — 
es war zu einer Freistätte für alles liederliche Gesindel geworden — 
bis zum Jahre 1520 unter dem Namen „Der elende Kretscham“ 
(d. h. Herberge für elende Pilger) am Fuße des Berges (zwischen 
der Salzniederlage und dem Gasthof zum goldenen Schiff, welcher 
um 1531 die Gastgerechtigkeit von ihm erhielt) bestand. Miit 
diesem war aber eine Kapelle vereinigt worden, welche dem heiligen 
Martin geweiht war, der auch auf einem alten Altargemälde darin 
abgebildet war, wie er seine Kleider (nach der Legende) zerreißt und 
unter die Armen verteilt. — Einer anderen Ursache schreibt aber 
eine von der eben mitgeteilten abweichende Sage die Entstehung 
der Kapelle zu. Es lebte nämlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahr- 
hunderts zu Aleißen ein wackerer Bürgersmann, namens Mlartin, 
seines Zeichens ein Mlaurer, der fast allen seinen Verdienst zur 
Unterstützung der Armen verwendete. Derselbe war auch mit unter 
den von dem Baumeister Arnold von Westphalen zur Erbauung 
der Albrechtsburg (1471—83) verwendeten Werkleuten, stürzte aber 
eines Tages von einem Gerüste herunter und ward infolge dieses 
Falles, der ihn lange ans Krankenbett fesselte, zum Bettler, da er 
alle seine früheren Kräfte verloren hatte und kontrakt geworden 
war. Infolge davon mußte er betteln gehen, und so floß denn, 
wenn er auf den Stufen des Doms, auf Krücken gestützt, die ins 
Gotteshaus Eilenden um Almosen anflehte, manche reichliche Gabe 
in seinen Bettlerhut. Siehe, da Rkam die Pest mit ihren Schrecken, 
und Vater Martin ging nun in den angesteckten Häusern herum 
und brachte den Kranken, welche oft ihre eigenen Verwandten 
mieden, Trost, Abwartung und Hilfe, so daß manches Menschenleben 
lediglich durch seine Tätigkeit gerettet ward. Nachdem nun die 
Krankheit gewichen war, da schossen Rat und Bürgerschaft eine 
erklechliche Summe zusammen, um ihm der Stadt Danbbarkeit zu 
beweisen. Martin aber lebte als Bettler fort und erbaute von dem 
ihm geschenkten Reichtume die Martinskirche, welche nach ihrem 
Erbauer auch die Bettelmannskirche genannt ward, und zum An-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.