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Daß solche Rechtsverordnungen sich streng auf eine wirkliche Aus-
führung der betr. gesetzlichen Bestimmungen zu beschränken haben und
nicht willkürlich über dieselben hinausgreifen dürfen, ist selbstverständlich.
Übrigens wird es in erster Linie von der Gesetzgebung abhängen, ein
wie großer Spielraum im einzelnen Falle noch einer gesetzergänzenden
Rechtsverordnung bleibt. Es ist sehr wohl möglich, daß ein solcher
thatsächlich garnicht vorhanden ist. Andererseits kann auch ein Gesetz
— indes ohne daß dadurch das verfassungsmäßige Verordnungsrecht
der Regierung nach anderen Richtungen ausgeschlossen werden könnte
— direkt vorschreiben, daß es hinsichtlich bestimmter Punkte im Ver-
ordnungswege zu ergänzen sei, und ist dann die Regierung auf Grund
zu verstehen resp. mitzuverstehen sind, ist ziemlich allgemein anerkannt. Vgl.
Laband, a. a. O., S. 594, Gareis, Allgem. Staatsrecht, a. a. O., S. 133,
Sarwey, Allgem. Verwaltungsrecht, a. a. O., S. 30, Leuthold, Sächs. Staats-
recht, in Marquardsen's Handbuch des öffentl. Rechts, Bd. 2, Halbband 2,
S. 198, Gaupp, Württemb. Staatsrecht, ebenda, Bd. 3, 1 Halbband, II,
S. 162. Anderer Meinung: G. Meyer, Staatsrecht, § 159, H. Schulze,
Deutsches Staatsrecht, Bd. 1, S. 530. — G. Meyer behauptet dementsprechend
ferner, die Senate der Hansestädte bedürften zum Erlaß von Rechts-Ausführungs-
verordnungen einer speciellen gesetzlichen Delegation (a. a. O., § 162). Bezüglich
Bremens folgert dasselbe Sievers (Brem. Staatsrecht a. a. O., S. 76) aus
dem Wortlaut der Verfassung (§ 576): „Erlassung von Verordnungen zur Hand-
habung der Gesetze.“ Dieser Wortlaut findet sich auch ie
· » . uch in dem entsprechenden
Passus der Lübecker Verfassung (Art. 50, IID).
Hervorzuheben ist, daß in Bremen und Lübeck der Senat auch Polizei-
verordnungen erlassen kann (Brem. Verf. 8§ 57m, Sievers, Bremer Staats-
recht, a. a. O., S. 76; Lüb. Verfassung Art. 50 III, Klügmann, Liüb.
Staatsrecht, S. 52). — Im § 65 der Brem. Verf ist noch bestimmt- „In Be-
ziehung auf Polizeiverordnungen, welche von dem Senat oder dessen Behörden
erlassen worden, ist die Bürgerschaft berechtigt, nicht nur hinsichtlich der Zweck-
mäßigkeit der erlassenen Vorschriften dem Senate Vorstellungen zu machen, um
ihn zu einer Abänderung derselben zu veranlassen, sondern auch, wenn sie dafür
hält, daß die erlassene Vorschrift der Gesetzgebung angehöre, nötigenfalls darüber
Eine gerichtliche Entscheidung nach näherer Bestimmung des Gesetzes (durch das
Hanseat. Oberlandesgericht, s. unten 8 48) zu veranlassen.
In Bremen kann weiter — „sofern die Staatskasse nicht dabei beteiligt
ist" — der Senat im Einverständnis mit der Handelskammer und nach Ver-
nehmung des Kaufmannskonvents Regulative für den Handels-= und Schiff.
fahrtsbetrieb und für die dazu gehörigen Hülfsgeschäfte, sowie die er.
forderlichen Taxen für letztere feststellen und erlassen; jedoch kann eine
Abänderung oder Aufhebung solcher Anordnung durch einen Beschluß von Senat
und Bürgerschaft jederzeit erfolgen (Verf. 8 107).