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derselben kann immer nur auf höchstens vier Wochen und nur in der—
selben Weise wie die ursprüngliche Beschlußnahme erfolgen.“
Es handelt sich hier um das sog. Staatsnotrecht, d. h. um ein
Ausnahmerecht der Regierung, welches dieser in bestimmten Fällen
dringender Gefahr ein unbeschränkteres und durchgreifenderes Vorgehen
ermöglicher soll.“ Eine auf Grund dieses Rechtes ergangene Suspensions—
verfügung des Senats charakterisiert sich als eine Rechtsverordnung
im eminenten Sinne; denn sie beseitigt, wenn auch nur vorübergehend
und innerhalb eines bestimmten Umkreises, Verfassungs- und gesetzliche
Bestimmungen. Eine Schranke aber findet das verfassungsmäßige
außerordentliche Suspensionsrecht des Senats jetzt in der Reichsgesetz-
gebung, deren für das ganze Reich verbindliche Vorschriften eine einzel-
staatliche Regierung natürlich nicht ohne weiteres aufheben kann.
Es ist demnach zu prüfen, inwieweit reichsgesetzliche Vorschriften den
Senat verhindern können, im Falle eines Krieges oder Aufruhrs „die
Bestimmungen über Gerichtsstand, Verhaftung, Haussuchung, Presse
und Versammlungsrecht“ zu suspendieren.
Was zunächst den Gerichtsstand betrifft, so heißt es im § 16
des Gerichtsverfassungsgesetzes: „Ausnahmegerichte sind unstatthaft.
Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.“ Es wird
1 Verfassung, Art. 102 und 103. Ahnlich § 20 der Bremer Vérfassung und
Art. 54 des Oldenburgischen Staatsgrundgesetzes. — In Preußen, Sachsen
und anderen deutschen Staaten sind Notverordnungen gestattet, sofern sie nicht
Bestimmungen der Verfassung zuwiderlaufen.
2 Vgl. Gareis, Allgem. Staatsrecht, a. a. O., S. 56. Derselbe bemerkt,
im Staatsnotrecht zeige sich insbesondere, daß der Anteil, den das Staats-
haupt an der Herrschaft zu nehmen habe, anders beschaffen sei, als der Anteil
anderer Organe daran. „Er ist — wenn der Komparativ gestattet ist — noch
aktiver als der aktive Teil derjenigen teilnehmenden Faktoren an der Herrschaft,
welche nicht Staatshaupt sind."“
3 Erlangt eine solche Verordnung, die man als Notverordnung bezeichnen
kann, die Zustimmung der Bürgerschaft resp. des Bürgerausschusses, so wird sie
dadurch, nach der wohl zutreffenden Auffassung Labands, nicht formell in ein
Gesetz verwandelt. In Bezug auf einen analogen Fall des Reichsstaatsrechts sagt
Laband: „Formell ganz getrennt von dem Verordnungsakt steht die Resolution
des Reichstages, welche die Genehmigung ausspricht. Die Verordnung wird nicht
nach dieser Genehmigung nochmals als Gesetz publiziert, sondern es wird lediglich
im Reichsgesetzblatt durch den Reichskanzler bekannt gemacht, daß die Genehmigung
erteilt worden ist, wenn die Verordnung ohne dieselbe ipso jure außer Kraft
treten würde." (Laband, a. a. O., Bd. 1. S. 281.)