Full text: Das Hamburgische Staatsrecht.

ist dies ein Ausfluß der ihm als Staatsoberhaupt zustehenden Justiz- 
hoheit. „Das Staatsoberhaupt, als Spender der Gnade, handelt hier 
nicht als höhere richterliche Instanz, sondern als Vertreter einer höheren 
Rechtsordnung, als persönlich ausgleichender Vermittler zwischen dem 
Buchstaben des positiven Gesetzes und den Forderungen einer ewigen 
Gerechtigkeit“"!1. 
Eine Einschränkung des Begnadigungsrechtes des Senats ist nur 
vorgesehen für Fälle, wo es sich um die Verantwortlichkeit von Mit- 
gliedern des Senats oder der Behörden wegen Verfassungs= oder 
Gesetzesverletzung handelts. In diesen Fällen soll der Senat das Be- 
gnadigungsrecht nur auf Antrag oder mit Zustimmung der Bürger- 
schaft ausüben können. Da indes das betreffende Verantwortlichkeits- 
gesetz bisher nicht erlassen ist, so kommt die fragliche Einschränkung 
zur Zeit nicht in Betracht. 
Nach der Reichsstrafprozeßordnung (8 485) kann ein Todes- 
urteil erst dann vollstreckt werden, wenn das Staatsoberhaupt aus- 
drücklich beschlossen hat, in dem betreffenden Falle von dem ihm zu- 
stehenden Begnadigungsrecht keinen Gebrauch machen zu wollen. Das 
Staatsoberhaupt ist also hier ausnahmsweise verpflichtet, ex oftcio 
die Begnadigungsfrage in Betracht zu ziehen. 
Ferner steht nach 484 der Strafprozeßordnung in Sachen, in 
denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt hat (d. h. bei Hoch- 
verrat oder Landesverrat gegen den Kaiser oder das Reich)“ das Be- 
gnadigungsrecht dem Kaiser zu. Das Begnadigungsrecht des Senats 
ist also für diese Sachen reichsgesetzlich aufgehoben. 
  
H. Schulze, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1, S. 569. — Eine Amnestie 
kann in Hamburg nur im Wege der Gesetzgebung erfolgen (s. unten, 8 40). 
ezüglicher= Lt 24, Abs. 2. Ahnliche Einschränkungen des Begnadigungsrechts 
Schutze der inister) sinden sich in den meisten deutschen Staaten (vgl. H. 
: Bere u O., S 571, G. Meyer, Deutsches Staatsrecht, 8 175). 
immer — igt dazu ist es auch in anderen Fällen. Die Begnadigung kann 
auch ohne ein Gnadengesuch, ja gegen den Willen des Verurteilten er- 
folgen (H. Schulze, a. a. O., S. 57.). 
4 Gerichtsverfassungsgesetz, 98 136, 1. 
* In militärgerichtlichen Sachen steht — infolge des Militärvertragsver- 
hältnisses zwischen Preußen und Hamburg — das Begnadigungsrecht dem König 
von Preußen zu. Vgl. G. Meyer, Staatsrecht, § 197.
	        
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