Full text: Das Hamburgische Staatsrecht.

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(mit den Specialetats) der Bürgerschaft vorzulegenden Voranschlages 
der gesamten Einnahmen und Ausgaben des Staates für das nächste 
Jahr, im ganzen und in den einzelnen Teilen, sowie etwaige Nach- 
bewilligungen“.1 Diese Fassung ist keine besonders glückliche; denn 
man könnte aus dem Wortlaute vielleicht folgern, daß der Bürger- 
schaft nur eine Genehmigung oder Nichtgenehmigung des Gesamt- 
budgets oder seiner einzelnen Positionen zustehe. Gemeint aber ist 
jedenfalls, daß die Bürgerschaft, wie andere Volksvertretungen, auch 
befugt sein soll, Abänderungs= oder Ergänzungsanträge zu dem ihr 
vorgelegten Budgetentwurf zu machen.? 
Das moderne Budgetrecht hat sich aus dem Steuerbewilligungs- 
recht entwickelt und ist, wie dieses, auf dem Kontinent englischem 
Muster nachgebildet, jedoch — von einzelnen Ausnahmen abgesehen — 
mit einer wesentlichen Abweichung. In England nämlich hat man 
stets an dem Grundsatze festgehalten, daß die gesetzlich feststehenden 
Einnahmen und Ausgaben nicht Gegenstand parlamentarischer Bewilli- 
gung seien. Es kommen also dort nur diejenigen Positionen des 
Budgets zur Kognition des Parlaments, welche den Charakter von 
sog. beweglichen Einnahmen oder Ausgaben besitzen. In den meisten 
Staaten des Kontinents aber hat man diese naturgemäße Einschränkung 
des parlamentarischen Budgetrechts — vermutlich zuerst aus Un- 
kenntnis des englischen Staatsrechts — nicht mit übernommen, und 
ist man dann vielfach zu der seltsamen Auffassung gelangt, die 
1 Hervorzuheben ist noch, daß der Bürgerausschuß (an Stelle der Bürger- 
schaft) befugt ist, im Budget nicht aufgeführte Ausgaben bis zu dem bei Be- 
liebung des Budgets für unvorhergesehene Ausgaben festgestellten Gesamtbetrage 
mitzugenehmigen (Verf. Art. 60, No. 1). 
: Klarer und einfacher ist die Bestimmung der Reichsverfassung (Art. 69), 
daß der Reichshaushaltsetat durch ein Gesetz festzustellen sei. Laband hebt 
jedoch mit Recht hervor, daß der Etat, da er keine Rechtssätze enthalte, sondern 
nur ein Voranschlag über die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben sei, 
nicht im materiellen, sondern nur im formellen Sinne als ein Gesetz bezeichnet- 
werden könne. Seine Festsetzung erfolge im Wege der Gesetzgebung (in Marquard, 
sen's Handbuch des öffentl. Rechts, Bd. 2, Hlbbd. 1, S. 204. Vgl. ferner Gneist 
Gesetz und Budget, 1879, S. 166 und die dort citierten Schriftsteller). — Von 
einer Initiative der Volksvertretung kann hier jedoch (abgesehen von Ergänzungs- 
anträgen) nicht die Rede sein. 
s Vgl. G. Meyer, Staatsrecht, § 204, Gneist, Gesetz und Budget, S. 85 ff. 
G. Seidler, Budget und Budgetrecht, 1885, S. 150 ff.
	        
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