Full text: Das Hamburgische Staatsrecht.

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Er führt den Vorsitz in den Versammlungen, eröffnet und schließt die 
Sitzungen, leitet die Verhandlungen und überwacht die Einhaltung 
der Geschäftsordnung. Er erteilt das Wort, stellt die Fragen zur 
Abstimmung und spricht das Ergebnis der letzteren aus.1 
Amendements, die nicht in wesentlicher Verbindung mit dem 
Hauptantrage stehen, sind von ihm nach gemachter Anzeige an die 
Versammlung zurückzuweisen.? 
Ihm liegt die Erhaltung der Ruhe und Ordnung im Sitzungs- 
lokale ob. Er kann etwaige Ruhestörer von den Gallerien fortweisen 
und bei fortdauernder Ruhestörung die Gallerien räumen und die 
Sitzung bei verschlossenen Thüren fortsetzen lassen.3 Er kann ferner 
die Mitglieder des Hauses — jedoch nicht die Senatskommissare 4— 
zur Ordnung rufen resp., wenn sie in ihren Reden den Gegenstand 
der Verhandlungen verlassen, auf diesen zurückverweisen. 
Dem zur Ordnung Gerufenen steht eine sofortige Berufung an die 
Versammlung frei, über welche diese ohne Diskussion entscheidet. Fährt 
ein Redner nach erfolgter Zurückweisung auf die Sache oder nach er- 
folgtem Ordnungsrufe fort, in derselben Rede sich von dem Gegenstande 
1 Geschäftsordnung § 12 und 13. Er kann das Reden vom Platze aus 
gestatten (§ 38) und entscheidet (vorbehältlich der Berufung an die Versammlung) 
darüber, inwiefern Schriftstücke oder Drucksachen von einem Mitgliede verlesen 
werden dürfen (8 39, Abs. 2). 
2 Geschäftsordnung 8§ 40. 
„ Geschäftsordnung § 13 und 28. Als Ruhestörungen sind auch laute Auße. 
rungen des Beifalls oder Mißfallens abseiten der Zuhörer zu betrachten (§ 28. 
Abs. 3). 
4 Vgl. G. Meyer, Staatsrecht § 104, H. Schulze, Preuß. Staatsrecht, 
2. Aufl., Bd. 1, § 166. — n der Verfassung von Reuß ä. L. (8 83) heißt 
es bezüglich der Regierungsvertreter: „Der Disciplinargewalt des Vorsitzenden 
sind dieselben selbstverständlich nicht unterworfen.“) — Andererseits steht 
den Regierungsvertretern auch das Recht der parlamentarischen Redefreiheit nicht 
zu. — Im Grundgesetz von Sachsen-Meiningen (8 22) heißt es: „Verletzt 
ein Mitglied des Herzogl. Staatsministeriums die Ordnung, so steht dem Land- 
tage das Recht der Beschwerde bei dem Herzog zu.“ Ein derartiges Beschwerde- 
recht kann jedoch ohne ausdrückliche Bestimmung nicht als der Volksvertretung 
zustehend angenommen werden. In Ermangelung anderer Bestimmungen wird 
dem Vorsitzenden der Versammlung eventuell nichts anderes übrig bleiben, als 
die Sitzung zu schließen, wozu er im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung 
jederzeit, auch wenn der Regierungsvertreter noch das Wort hat, berechtigt er- 
scheinen muß.
	        
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