Es ist auch dann nicht die Möglichkeit, durch das Budgetrecht im Aus-
gabe-Etat dem entgegen zu wirken, denn in dem vierten und letzten Alinea des
Artikels 62 ist ausdrücklich gesagt worden:
Bei der Feststellung des Militärausgabe-Etats wird die auf Grund
dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Reichsheeres zu
Grunde gelegt.
Sie könnten uns also, ohne Ihrerseits sich vom Boden der Verfassung
zu entfernen, gar nicht verweigern, wenn eine Präsenzziffer überhanpt nicht
nach Artikel 60 der Verfassung gesetzlich festgelegt ist, das Ausgabebudget
dem entsprechend einzurichten.
Wenn also keine Verständigung, die für die verbündeten Regierungen
annehmbar ist, im Hinblick auf die äußere Sicherheit des Deutschen Reichs
zu Stande kommt, so liegt durchaus kein Zustand vor, in dem die deutsche
Armee von der Bildfläche zu verschwinden hätte, sondern es tritt ganz ein-
fach die größere kaiserliche Machtvollkommenheit, die die Verfassung stipulirt,
wieder in Kraft. Um dem Reichstage die Mitwirkung dabei zu bewahren,
ist der Artikel 60 geschaffen und ist das Gesetz versprochen, das die Präsenz-
stärke, die der Kaiser nicht überschreiten darf, mit Zustimmung des Reichs-
tages, das heißt durch ein Gesetz! feststellen soll. Diese Bindung existirt
augenblicklich bis 1888 und existirt nur durch dieses Gesetz. Lesen Sie in
allen Ihren gesinnungsbefreundeten Rechtsbüchern darüber nach: Rönne,
Laband, lesen Sie andere, Sie werden immer finden, daß die Mitwirkung
des Reichstages, der Einfluß des Reichstages auf die Höhe des Heeres allein
beruht auf der Fortdauer der Gesetze, die auf Grund von Artikel 60 gemacht
werden, und die dem Kaiser in seiner Machtvollkommenheit eine niedrigere
Grenze ziehen, als Er nach der Verfassung haben würde.
Meine Herren, da ist doch eigentlich gar kein Grund, warum Sie so
lüstern nach Krisen sind und alle drei Jahre, ja sogar jedes Jahr denselben
Streit haben wollen, ob das deutsche Heer bestehen solle oder nicht; denn
wenn Sie in diesem Streite anderer Meinung blieben als die verbündeten
Regierungen, so würde Ihre Meinung nach dem Inhalte der Verfassung von
keiner durchschlagenden Wirkung sein. Sie kompromittiren sich ganz ohne
Noth darüber in einer Richtung, in der Ihren Willen durchzusetzen Sie nicht
die Macht haben, weil Sie das verfassungsmäßige Recht nicht haben.
Sie haben die Verfassung nicht gelesen, wenn Sie glauben können, daß
es Ihnen möglich ist, in jedem Jahre durch das Budget die Heeresstärke
festzustellen, ohne Rücksicht auf den Kaiser und auf sein Recht, welches auf
Artikel 5 der Verfassung beruht, und demzufolge Er befugt ist, in Sachen
der Militärgesetze jederzeit an denselben Einrichtungen, wie sie bisher be-
stehen, festzuhalten. Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die
Kriegsmarine und die im Artikel 35 bezeichneten Angelegenheiten giebt die
Stimme des Präsidiums des Bundesrathes bei Meinungsverschiedenheiten
desselben den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechterhaltung der bestehenden
Einrichtungen ausspricht. Die bestehende Einrichtung ist doch immer die