Full text: Die Militär-Vorlage im Deutschen Reichstage.

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haben aber auf kein Bündniß zu rechnen, wenn wir mit Frankreich kämpfen. 
Das ist also eine irrthümliche Nachricht, zu deren zeitiger Widerrufung ich 
durchaus genöthigt bin. 
Der Herr Abgeordnete hat ferner gesagt, das Verhältniß zu Frankreich 
sei 1881 schon dasselbe gewesen. Nun, meine Herren, das will ich politisch 
nicht bestreiten — wir haben immer friedliche Ministerien gehabt, — aber 
militärisch ist die Sache doch ganz anders. Die französische Armee war 
1881 nicht so schlagfertig und nicht so stark, wie heute; sie war es noch 
weniger 1874. Wir find auch nicht die Leute, die gleich auf den ersten 
Eindruck, daß die Franzosen ein paar Bataillone mehr einziehen, nun an 
den Reichstag gehen und sagen: Der bedroht uns, wir verlangen mehr, 
sondern wir warten unsere Zeit ab. Wir haben in den letzten sechszehn 
Jahren — 1875 entstand ein ganz falscher Kriegslärm, das Ergebniß einer 
künstlich aufgebauschten Intrigue — nie die Absicht gehabt, Frankreich an- 
zugreifen, in den ganzen 16 Jahren auch nicht einen Augenblick; es ist eine 
elende Lüge gewesen, bei der fremde Intriguanten thätig waren, daß wir 
jemals die Absicht gehabt hätten. Aber die französische Armee ist doch seit 
der Zeit eine ganz andere geworden. Das ist wieder eine Frage, in der es 
darauf ankommt, zu entscheiden, ob in dem Urtheil über die Leistungsfähig- 
keit der französischen Armee der Graf von Moltke oder Herr Windthorst der 
Kompetentere sei, und eine Widerlegung des Einleitungssatzes des Ab- 
geordneten Windthorst, daß er sich mit dem Grafen von Moltke nicht in 
Parallele stellen wolle. 
Herr Windthorst hat an einer anderen Stelle gesagt und wiederholt, er 
glaube, daß wir Frankreich nicht nur gewachsen, sondern auch überlegen seien. 
Ich wiederhole, der Herr Abgeordnete wird doch nicht in die Rolle eines 
miles gloriosus verfallen wollen, und mit dem sicheren Siege über Frank- 
reich hier in diesen Räumen prahlen. Wenn so gewiegte Strategen, wie in 
den Regierungskreisen vorhanden sind, dem widersprechen und sagen, es ist 
nicht unzweifelhaft, dann würde ich doch an Stelle des Abgeordneten, falls 
er wirklich glaubt, daß der Graf von Moltke diese militärischen Sachen 
besser versteht, auf dies Thema nicht mehr zurückkommen. 
Also daß das Verhältniß zu Frankreich militärisch nicht mehr dasselbe 
ist, das überlasse ich unseren militärischen Autoritäten zu beweisen. Den 
Angriff Frankreichs, muß ich sagen, ermuthigen diese Verhandlungen schon. 
zelche materielle Macht hinter den Abgeordneten Windthorst und Richter 
steht, inwieweit das unsere Aktionen lähmt, darüber hat ein Franzose, na- 
mentlich in der Provinz, ein sehr unvollständiges Urtheil, und die Möglich- 
keit, daß der Krieg entsteht, weil man uns unterschätzt, ist durch die Ver- 
schleppung der Verhandlungen, die in anderen Parlamenten in acht Tagen, 
in drei Tagen, in zwei Stunden erledigt würden (Ohl links), schon erheblich 
gesteigert. Wenn wir jetzt die französischen Angriffsneigungen ermuthigt 
haben, dann weise ich den Herren, die uns so lange aufgehalten haben, schon 
einen erheblichen Antheil an der Verantwortung für die Kalamität eines
	        
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