— 40 —
handel versucht, Jemanden, dessen Aeußerungen zu nichts verpflichten, auf
den Leib schicken, um von uns herauszupressen, was Sie irgend herauspressen
können, und dann nachher sagen: Alles, was wir gesagt haben, gilt nichts
mehr, wir schließen uns dieser oder jener Aeußerung an. Ihre Geschäfts-
ordnung erlaubt Ihnen das, aber Ihre Geschäftsordnung hat für uns gar
keine Verbindlichkeit, wenigstens glaube ich durch mein früheres Verhalten
auch schon gezeigt zu haben, daß ich mich in ernsten Fragen auf Kommissions=
verhandlungen nicht einlasse. Ich habe in der Kolonialfrage einmal eine
Ausnahme gemacht: „erceptio firmat regulam.“ In der Kommission, wo
sich ein bündiges Abkommen in keiner Weise erreichen läßt, erscheine ich nicht.
Ich bin zu alt und zu matt, um dort meine Kräfte nutzlos zu vergeuden.
(Lebhaftes Bravo rechts.)
Das Haus hatte dieser Rede des Reichskanzlers, wie den vorher-
gehenden mit großer Spannung gelauscht und vertagte sich nach derselben.
Der Abgeordnete Dr. Windthorst bemerkte noch persönlich, daß
er auf die Angelegenheit des Königreiches Hannover, die hier angeregt
sei, im Laufe der Debatte noch zurückkommen werde.
Am Mittwoch den 12. Januar 1887 setzte der Reichstag die
Debatte über die Militär-Vorlage fort.
Nachdem der deutsch-konservative Abgeordnete von Helldorff-
Bedra zunächst das Wort erhalten hatte und in warmer, patriotischer
Rede für die Annahme der Regierungs-Vorlage eingetreten war, suchte
der sozialdemokratische Abgeordnete Hasenclever in bekannter Weise
den Reichskanzler zu verunglimpfen. Er meinte u. A., daß der Franzose
Deroulede an ihm seinen Meister gefunden habe, und daß kein Par-
lament der Welt einen Mann, der es so, wie der Reichskanzler den
Deutschen Reichstag, behandle, noch länger auf seinem Posten dulden
werde. Für diese Aeußerung ertheilte der Vice-Präsident Frhr.
von und zu Franckenstein dem Redner den wohlverdienten Ord-
nungsruf. Unter wiederholter Heiterkeit stellte Herr Hasenclever die
seltsamsten Behauptungen auf und verstieg sich zu dem Schlusse, daß
die Vorlage nur das Sturmbrett der Reaktion zur Unterdrückung des
Volkes sein solle und daß Jeder, der Mannesmuth besitze, deshalb
gegen dieselbe stimmen müsse! Der preußische Kriegsminister Bronsart
von Schellendorff hob in seiner hierauf folgenden längeren Rede
hervor, daß er auf die Aeußerungen des Vorredners nicht eingehen werde.
Er beschäftigte sich auch in der Hauptsache nur mit den Ausführungen
der Abgeordneten von Stauffenberg und Windthorst und war in
der Lage, dieselben durch rein sachliche Erörterungen gründlich zu
widerlegen. Ihm folgte der Abgeordnete Graf Behr, der im Namen
der deutschen Reichspartei wacker für die Vorlage der verbündeten
Regierungen eine Lanze brach und mit dem Ausspruche der Ueber-
zeugung schloß, daß wenn hier ein Nein gesprochen werden sollte, das
Volk draußen ein anderes Urtheil fällen und andere Abgeordnete in
den Reichstag schicken werde. Nach dem Grafen Behr beschwerte sich
der Abgeordnete Dr. Windthorst über die ihm und den Hannoveranern