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und ebenso noch vor Beginn des neuen Jahres die Vorlage erledigt
zu sehen. Leider ließen aber schon die ersten Sitzungen dieser Kom-
mission erkennen, daß es von den Führern der Majorität auf ein Hin-
ziehen dieser Erledigung bis nach den Weihnachtsferien abgesehen war.
Unverantwortlich waren die nicht enden wollenden Reden, Fragen,
Ausstellungen u. s. w. der einzelnen Oppositionsführer, namentlich des
Abgeordneten Richter, über alles Lob erhaben die Geduld und Aus-
dauer der Bundesrathsbevollmächtigten und -Kommissare diesem Treiben
der Opposition gegenüber. Der Reichstag ging in die Weihnachtsferien,
ohne diese so wichtige Aufgabe erledigt zu haben; erst nach Beginn des
neuen Jahres trat die Kommission, welche die erste Lesung der Vor-
lage noch vor dem Weihnachtsfeste beendigt hatte, in die zweite Lesung
derselben ein.
Aber was für ein Gesetz-Entwurf war aus der ersten Lesung her-
vorgegangen! Der §. 1 war so gestaltet worden, daß die Friedens-
Präsenzstärke an Mannschaften für die Zeit vom 1. April 1887 bis
zum 31. März 1890 (also nicht für 7 sondern nur für 3 Jahre) auf
441 200 Mann (statt 468409 Mann in der Regierungs-Vorlage)z fest-
gestellt wurde! Und dahinter hieß es dann noch: „Für die Zeit
vom 1. April 1887 bis zum 31. März 1888 kann eine Er-
höhung der Präsenzstärke bis auf 450 000 Mann eintreten!"“
Also für die Dauer eines Jahres 8800 Mann mehr, aber immerhin
noch bis zum 31. März 1888, 18 409 Mann, von da ab aber sogar
wieder 27209 Mann weniger als die Regierungs-Vorlage für nöthig
erachtete! Ferner hatte man bezüglich der Formation der Infanterie
statt 534 Bataillone deren nur 518 eingestellt, aber die fehlenden
16 Bataillone für ein Jahr durch die Worte genehmigt: „Außer-
dem können von dem gleichen Tage an (1. April 1887) bis
zum 1. April 1888 16 Bataillone Infanterie formirt werden!“
Als neuen Paragraphen hatte man endlich noch eine Bestimmung ein-
gefügt, nach welcher diejenigen Wehrpflichtigen, welche sich dem Studium der
Theologie widmen, während der Dauer dieses Studiums bis zum 1. April
des Kalenderjahres, in welchem sie das 26. Sensiatr vollenden, von der
Einstellung in den Militärdienst vorläufig zurückgestellt werden, sobald
dieselben aber bis zur vorbezeichneten Zeit auf Grund bestandener
Prüfung die Aufnahme unter die Zahl der zum geistlichen Amt be-
rechtigten Kandidaten erlangt beziehungsweise die Subdiakonatsweihe
Funsen, gänzlich von der Militärdienstpflicht befreit sein
ollten!
Soweit die Beschlüsse der Kommission in erster Lesung!" Die
zweite Lesung in der Kommission sollte allerdings noch ganz andere
Beschlüsse zeitigen: einen Rumpf ohne Kopf und einen Kopf ohne
Rumpf' und dies Resultat kennzeichnet am besten die Ziele, um welche
es sich in Wirklichkeit eigentlich für die klerikal-freisinnig-polnisch-sozial-
demokratisch-welfische Reichstagsmajorität handelte. Nach diesen Be-
schlüssen der Kommission gab es de facto einen §. 1 des Gesetzes nicht
mehr. Man muß ein solches Unding von Gesetz-Entwurf dem deutschen
Volke wiederholt vor Augen führen, um den Beweis zu liefern, daß