98 Die Volksschule.
tismus gehört? Die Sache ist so ernsthaft, dass sehr die Frage ist, ob
der Pfarrer, welcher eine Gegenschule errichtete oder leitete, verständiger-
weise überhaupt in der Schulbehörde erhalten werden könnte. Wenn aber
nicht, so ist die schr wolfl begründete Absicht des Gesetzes, seine hölıere
Bildung und Auctorität für das Beste der Schule zu benützen, verfehlt.
Ausserdem werfen sich noch zahlreiche weitere Bedenken in Betreff eines
solchen Zustandes auf. .So zunächst, ob der in einer ihm verhassten und
entfremdeten Gemeindeschule ertheilte Religionsuuterricht der richtige sein
könnte, oder ob nicht die Forderung einer harınonischen und einheitlichen
Jugendbildung vollkommen zu nichte gemacht würde? Sodann die Be-
sorgniss, dass der Lelırer an der Gemeindeschule unter der Abneigung der
Geistlichkeit gegen dieselbe nicht in der verschiedensten Weise empfindlich
leiden könnte, ilım anstatt Aufmunterung und Hülfe nur Demütligungen
und Beschädigungen zu Theil werden würden, anstatt Freudigkeit zum
Berufe ein jede gute Leistung erstickender Missmuth ihn erfüllen müsste.
Endlich die Furcht, dass endloser Hader in der Gemeinde aus all’ diesen
falschen Stellungen entstehen, dieser aber das Leben verbittern und das
Gedeihen der Genossen auch noch in anderen Beziehungen verkümmern
würde.
So wichtig diese Uebelstände aber auclı sein mögen, so treten sie doch
schr zurück gegen die Bedeutung der Gefahr für Jen Staat, durch die
Geistlichkeit mittelst einer ausgedelinten Benützung des Rechtes zur Grün-
dung von Privatschulen aus seiner richtigen und notliwendigen Stellung
zum Volksunterrichte verdrängt zu werden. Eine der entschiedensten
Forderungen der Politik in der gegenwärtigen Zeit ist eine Trennung des
Staates von den Kirchen, das heisst eine genaue und gruudsätzliche Aus-
scheidung der Thätigkeitsgebiete beider Theile. Solches ist eine Pflicht
gegen die Kirchen, welche nicht zu Polizeidiensten für den Staat verwendet
werden sollen, und welche fordern können, dass nicht in ihren Lehren. und
Uebungen von einer ihnen fremden Macht eingegriffen werde; es ist aber
auch nothwendig für den Staat, welcher das Recht und die Pflicht hat
dahin zu wirken, dass ihm endlich die Besorgung aller derjenigen Aufgaben
ungestört und unverkümmert zufalle, welche in seinem Begriffe und Zwecke
liegen. Namentlich gegenüber von der katholischen Kirche muss der Staat
mit unerbittlicher Folgerichtigkeit und Festigkeit hierauf halten, weil diese
noch im Besitze vielfacher Reste der theokratischen Zustände des Mittel-
alters ist und sie den Anspruch auf eine höhere beherrschende Stellung
noch keineswegs aufgegeben hat. Zu den principiell nach diesem Gesichts-
punkte zu ordnenden Gegenständen gehört aber wesentlich das Verhältniss zu
der Schule, vorab zu der Volksschule. Dass aber die richtige Feststellung des
Verhältnisses, in Anerkennung der Nothwendigkeit einer harmonischen