Die Universitäten. 121
der Zöglinge zu hoch gesteckt. \Vährend allerdings die Begabteren und
Fleissigen die Hochschule mit einem Schatze wahrer wissenschaftlicher Bil-
dung verlassen, kann die mittelmässige Menge sich nur mit Mühe von dem ihr
so reichlich Gebotenen lückenhafte Bruchstücke aneignen und wäre für sie
wohl ein geringeres Maass der Zumuthung und eine auf ihre Fassungskraft
berechnete niederere Methode zweckmässiger.
Sodann ist es Aufgabe der Universität, wissenschaftlichen Unterricht
in den verschiedenen höheren Berufsfächern zu ertheilen. Eine aus der
Natur der Sache sich ergebende und für alle Zeiten und Verhältnisse
gültige Bezeichnung dieser Fächer besteht allerdings nicht; in der Haupt-
sache bezeichnet sie die Gewohnheit, allein neue Bedürfnisse und Aus-
bildungen von Wissenschaften können auch Erweiterungen herbeiführen.
Andere Wissenskreise sind, auch wenn sie an sich auf gleicher geistiger
Höhe stehen, ausgeschlossen, weil sie entweder mit eigentbümlichen Ver-
bältnissen in Verbindung sind, von welchen sie sich nicht trennen lassen,
wie z. B. die höhere Ausbildung in den Kriegswissenschaften, oder weil die
Sorge für sie einen so grossen Umfang hat, dass eine Anfügung an die
Universität diese zu einer ungewälltigbaren Ausdehnung bringen würde, wie
namentlich die höhere technische Bildung, für welche daher (und aus noch
weiteren Gründen) eigene polytechnische Hochschulen errichtet worden sind.
Es sind also thatsächlich und von Alters her die Theologen, Rechtsgelehrten
und Acrzte, welche auf diese Weise gebildet werden; dazu kamen denn
noch allmählig, und noch nicht ganz gleichmässig überall, die Staatsver-
waltungsbeamten und die Lehrer für gelehrte Mittelschulen, dann und wann
Chemiker, Apotheker u. dgl. In allen diesen Fächern ist eine bestimmte
Brauchbarkeit für practische lebenszwecke das Ziel, und muss daber ein
Minimum von notbwendigem \issen auctoritativ festgesetzt, danach auch
der Unterricht eingerichtet sein. Allein auch hier ist keineswegs von einem
mechanischen Abrichten dio Rede; die zu gewährende Bildung soll eine
ächt wissenschaftliche sein; es wird von dem Lehrer gefordert, dass er nicht
nur selbst Ilerr seines Faches in dessen höchster und neuester Entwickelung
sei, sondern dass er es auch in diesem Geiste lehre. Seiner Begabung ist
es tiberlassen, das rein Theoretische mit dem im Leben Nothwendigen in
richtiger \WVeise zu verbinden. Den Schülern aber ist es frei gestellt, so
hoch iu ihrer Ausbildung zu greifen, als ihre Taleute und ihre Mittel
reichen, und somit sich nach Belioben über den Durchschnittsstand zu er-
heben; nur soll letzterer von Jedem erreicht werden ').
Sodann besteht noch eine dritte, zwar nicht gesetzlich und amtlich,
1) 8. über diese Aufgabe, welche von den Idealisten in dem Universitätswosen zu wenig,
von den Regierungen nicht selten zu viel betont wird, die schr richtigen Bemerkungen von
Stein, Verwaltungsichre, Bd. V, 8. 218 fg.