Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

130 Die Universitäten. 
Studenten, ausgestattet mit englischer Bequemlichkeit. Das Ganze für den 
Ausländer ein Ideal von Pracht und Reichthum. 
Allerdings ist ein solches Leben theuer. In Oxford kann nicht 
weniger als 300 Pfd., in Cambridge 250 Pfd., für den Aufenthalt im College 
jährlich gerechnet werden, und hiezu kommen noch die mindestens 'eben 
so grossen Nebenausgaben. Doch bestelien auch viele Stipendien; in Oxford 
399, in Cambridge 793, im Durchschnitt eines 200 Pfd. werth. 
Das Gebahren der Studirenden ist völlig verschieden sowohl von dem 
der deutschen als dem der französischen Studenten. Einer Seits ist die 
Ordnung innerhalb des Hauses strenge klösterlich; täglicher Gottesdienst 
in der Hauskapelle, gemeinschaftlicber Mittagstisch, bestimmte Stunde zur 
Rückkehr Abends, eigenthüämliche Kleidung sind Vorschrift und werden 
strenge erzwungen. Vergehen gegen die Hausordnung oder die Disciplin 
werden mit Strafen gerügt, welche kaum für herangewachsene Jünglinge 
passen, so durch Ausarbeitung von Strefaufgaben oder Abschreiben. Auf 
der andern Seite wäre jedoch nichts unrichtiger, als eine grosse Strenge 
des lebens und Sittenreinheit unter diesen Formen anzunehmen. Trotz 
derselben ist vielmehr, namentlich in der Stadt und in deren Nähe, viel 
ungebundenes und wildes Treiben; allerdings nicht in der Art des deutschen 
Studenten, sondern in der des jungen Mannes von Stand und Vermögen. 
Wettrennen, Jagd, Rudern, aber auch Spiel, Trunk und Schlimmieres sind 
an der Tagesordnung. Zum Theile laufen ungeheure Schulden auf. Es 
ist viel englisches high life in seiner schlimmen Gestalt. Dabei aber wird, 
zum höchlichsten Erstaunen des Festländers der aristokratische Grundzug 
des Lebens strenge eingehalten. Der junge Lord trägt nicht nur (was doch 
sonst gar nirgends mehr geschieht) eine eigene Kleidung, sondern er wird 
anders im Hause gehalten als der Commonar, ja er hat Bevorzugungen bei 
den Prüfungen. Von einer jugendfrohen Gleichheit vor dem Eintritte in 
das Leben der Alltagwelt ist bier keine Rede. 
Die Zahl der Universitätsangehörigen ist übrigens gross; in Oxford 
etwa 2000, in Cambridge 1800. 
2. Aufgabe. 
Ebenso verschieden von den continentalen Einrichtungen wie die äussere 
Gestaltung ist auch der Zweck einer englischen Universität und die Absicht 
der sie Besuchenden. Auf den englischen Universitäten werden keine Fach- 
wissenschaften gelehrt. (Etwas weniges Theologie ausgenommen, aber von 
Jurisprudenz und Medicin kaum eine Spur.) Als Unterrichtsgegenständ 
gelten nur klassische Philologie und Mathematik, jene mehr in Oxford, diese 
in Cambridge. Dieser Unterricht wird aber nicht ertheilt durch öffentliche 
Vorlesungen, sondern durch Privatunterricht im einzelnen College. Eigent-