Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

150 Die Universitäten. 
stande, den Vorkenntnissen, dem Fleisse eines jeden Einzelnen überlassen 
und daher auch in unzähligen Fällen höchst mangelhaft bestellt. Fast 
möchte man meinen, es seien die Universitäten nur zum Lehren aber nicht 
zum Lernen bestimmt. Dass diess ein irrationaler, chaotischer Zustand ist, 
kann bei einigem Nachdenken ernstlich in der That nicht geläugnet werden, 
wenn wir auch durch Gewohnheit gegen den Unfug abgestumpft sein mögen. 
Mit der so hoch, und wohl zu hoch, angeschlagenen Lernfreiheit hat die 
Sache nichts zu thun; diese besteht doch nur in der Freiheit zu lernen, 
was, wann und bei wem man will, nicht aber in dem Rechte, gar nichts 
oder Verkehrtes zu lernen. Wir dürfen es uns nicht verhehlen, hier ist 
eine schreiende und in der That unserer Sorge für Wissenschaft und Leben, 
um nicht zu sagen unserm Verstande und Gewissen wenig Elıre machende 
Lücke in dem deutschen Universitätssystem. 
Endlich ist es mehr als fraglich, ob die Beschränkung der Thätigkeit 
unserer Hochschulen auf das Lehren und die Versäumung jeder Maassregel 
zur Erziehung in sittlicher und physischer Beziehung nicht ein grosser Grund- 
irrthum ist. Es klingt doch fast als Satyre, wenn man behauptet, die Aus- 
bildung der jungen Leute nach diesen Richtungen hin könne vertrauensvoll 
ihrer eigenen Vernunft überlassen werden, die etwa nöthige Nachhülfe aber 
erfolge durch die althergebrachte besondere Sitte und durch deren Wächter 
und Vollstrecker, die Verbindungen. Von dem Werthe dieser Erziehung 
und Erziehungsmittel gibt ein Blick in die Strassen einer Universitätsstadt, 
in deren Trinkstuben und auf die Duellplätze genügende Auskunft. 
Sind nun diese Uebelstände wirklich an den deutschen Hochschulen 
vorhanden und können wir uns ohne absichtliche Selbsttäuschung der Ueber- 
zeugung nicht entziehen, dass wir wenigstens in Betreff mehrerer der- 
selben den analogen Zuständen anderer Länder nachstehen, so ist damit 
auch gesagt, dass Verbesserungen möglich und dass sie nothwendig sind. 
Diess ist denn auch, wie es bei dem Offenliegen der Schäden nicht anders 
sein konnte, vielfach eingesehen und in Folge dessen mancher Verbesserungs- 
vorschlag gemacht und selbst der eine und der andere Versuch zur Aus- 
führung gemacht worden. Die blose Thatsache des noch itzigen Be- 
stehens der Uchelstände beweist dann aber, dass das Rechte nicht ge- 
troffen worden ist, dass also hier immer noch guter Ratlı an der Stelle ist. 
Je wichtiger die Hochschulen für ein gesundes Gesammtleben des deutschen 
Volkes sind, desto wichtiger ist es, dass sie so tadellos und nützlich wirk- 
sam als irgend möglich seien. 
Untersuchen wir zunächst, welches die bisher versuchten Heilmittel 
waren, und warum sie ganz oder theilweise den Zweck nicht erreichten; 
dadurch wird Wiederholung ähnlicher Missgriffe verhindert und doch viel- 
leicht die Aufmerksamkeit auf einen beachtenswerthen Punkt gerichtet.
	        
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