Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

154 Die Universitäten. 
ersetzt werden werde durch die zahlreich in der Hauptstadt vereinigten 
Männer von Geist, Bildung und speciellen Kenntnissen, welche leicht die 
eine oder die andere Vorlesung zu halten bestimmt werden können, während 
sie nie eigentliche Professoren in einer J,andstadt geworden wären: so ist 
zwar zuzugeben, dass in einzelnen Fällen wirklich grosser Gewinn für dio 
Universität gemacht werden kann, allein in der grossen Mehrzahl der Fälle 
wird der Versuch schlecht ausfallen; und das ganze Ergebniss kann leicht 
(wie gesagt, mit einzelnen Ausnahmen) nur das sein, dass Professoren auf- 
hören zu lesen und Praktiker schlechte Vorlesungen halten. Jeden Falles 
werden, je kleiner die Hauptstadt und je nothwendiger die Sparsamkeit im 
Staatshaushalte ist, desto sicherer diese Folgen eintreffen. Man kann somit 
in dem Verlegen aller Universitäten in die Hauptstädte, wenn sich schon 
schr wesentlicher Nutzen in gewissen Beziehungen dabei herausstellt, kein 
räthliches Mittel zur Verbesserung der gegenwärtigen Missstände der Uni- 
versitäten sehen. Einige derselben, und zwar gerade die bedeutendsten, 
werden ohnedem durch eine solche Maassregel gar nicht berührt, so nament- 
lich der Mangel einer Vermittlung des Lehrvortrags vom Katheder mit dem 
Verständnisse des einzelnen Studirenden. \Verden die hier-anzuwendenden 
Mittel, (von welchen unten das Nähere), durch den Sitz in einer grossen 
Stadt auch nicht gerade beeinträchtigt, so werden sie doch eben so wenig 
gefördert. 
Mit einem Sturm von Hohn und Entrüstung wurde der Vorschlag 
Diesterweg’s aufgenommen, die Universitäten herabzustimmen zu Kate- 
chisationsanstalten‘, und den Docenten einerseits zu verbieten, Lehrer und 
Förderer der Wissenschaften zu sein, andererseits ihnen zu befehlen, offenes 
Haus für Jeden nach dessen Belieben zu machen. Und einen allgemeinen 
passiven Widerstand fand selbst der wohl auf diesen Gedanken gebaute, 
wenn schon auf sehr geringes Maass zurückgeführte und seiner Abenteuer- 
lichkeiten und seines Unverstandes entkleidete Befehl des preussischen 
Kultministers Eichhorn , wenigstens eine Stunde wöchentlich einer münd- 
lichen Prüfung der Zuhörer über das Gehörte und einer Berichtigung 
von Irrthümern derselben zu widmen. Universitäten und Einzelne erklärten 
eine solche Aufgabe als ihrer unwärdig, und der ganze Versuch ist spurlos 
verschollen. — Ohne Zweifel war dieser \iderstand gerechtfertigt gegen- 
über von der banausischen Plattheit Diesterweg’s und von der ungeschickten 
Ausführung des preussischen Ministers; allein unläugbar lag doch Beiden 
ein richtiger Gedanke zu Grunde. In beiden Fällen war das Gefühl vor- 
handen, dass es mit den Kathedervorträgen allein nicht gethan sei, sondern 
eine Vergewisserung darüber bestehen sollte, ob der Studirende das Vor- 
getragene auch verstanden habe; und dass in dieser Beziehung unser Uni- 
versitätssystem durchaus fehlerhaft ist, kann nicht in Abrede gestellt werden.
	        
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