198 Die Universitäten.
langsam genug, bis neue Fortschritte im Wissen wirklich ins Leben ein-
geführt werden, auch wenn sie auf der Universität den jungen Leuten
vollständig mitgetheilt wurden; was soll dann daraus werden, wenn diese
nicht einmal etwas davon erfahren? Dann ist aber, zweitens, wohl
zu bedenken, dass in Deutschland die Universitätslehrer nicht blos zum
leidlichen Abrichten junger Leute bestimmt sind, sondern dass vielmehr
unsere Universitäten die Akademieen der Wissenschaften zu vertreten
haben, und dass von jedem Professor verlangt wird, er soll sich auch als
Schriftsteller geltend machen, überhaupt sein Fach in dessen ganzer Ent-
wicklung vertreten. Die deutschen Universitäten sind die Brennpunkte des
wissenschaftlichen Lebens, und wenn die Lehrer auf denselben hinter der
Zeit und hinter dem Wissen anderer Völker zurückbleiben, so tritt alsbald
eine Verkümmerung Jer Bildung des ganzen Volkes ein. Ob diese Ein-
richtung und Forderung eine riclrtäge ist, mag eine zweifelhafte Frage sein;
allein zunächst ist es einmal so, und folglich ist ein Mangel an gelehrten
Hülfsmitteln ein doppelter Schaden.
In manchen Abtheilungen der naturwissenschaftlichen Apparate, z.B. für
die Physik, die Physiologie und selbst die Anatomie, haben dio Instruniente
theils in Folge neuer Erfindungen uud Versuche eine viel grössere Zahl
erreicht, als früher, theils einen weit höheren Preis bekommen durch die
Verfeinernng der Teclınik und die grösste Genauigkeit in wissenschaftlichen
Arbeiten. In anderen Zweigen der Naturwissenschaften aber, und diess ist
die Hauptsache, begnügt man sich jetzt nicht mehr mit den kleinen Samm-
lungen, welche früher für ganz ausreichend erachtet wurden. Der Grund
aber liegt nicht blos in den allerdings auch nicht zu verkennenden Fort-
schritten der Wissenschaft, sondern besonders in der Spaltung der Lehr-
stüble. Wenn nämlich ein Mann nur für ein einziges kleineres Fach be-
stimmt ist und er also in der vollständigen Beherrschung desselben seinen
Ruhm und seinen Lebensberuf findet; wenn er ferner in allen Einzelheiten
einzudringen und sich mit denselben zu beschäftigen Aufgabe und Zeit lat,
so steigern sich natürlich auch seine Forderungen an die ihm zugewieseno
Sammlung oder sonstige Anstalt. Desshalb verlangt jetzt der Mineralog
ein doppeltes grosses Kabinet für Oryktognosie und für Geognosie, daneben
vielleicht noch ein Paläontolog ein eigenes für Petrefaktenkunde; der Zoolog
eine grosse Sammlung von Präparaten, Skeletten, ausgebälgten Thieren aller
Art; für vergleichende Anatomie sollen jetzt grosse Säle voll Knochen
und Eingeweiden aller Art vorhanden sein; die botanischen Gärten der
Universitäten haben eine Ausdelinung gewonnen, wie sie früher nur fürst-
liche Gärten hatten; die Laboratorien für Chemie sind zu Palästen ange-
wachsen, in welchen die Vorstände ihre eigenen Werkstätten haben, jeder
der gerade in diesem Fache sehr zahlreich gewordenen Studirenden seine