Die Volksschule. 11
der Aufsicht und obersten Leitung von staatlichen Behörden unterstehen.
Einzig der Religionsunterricht macht in so ferne eine Ausnahme, als er den
betrefienden Seelsorgern überlassen bleibt, jedoch auch wieder nach seiner
Ausdehnung auf ein bestimmtes Maass begränzt und in Uebereinstim: ‚ung
mit dem allgemeinen Unterrichtsplan gebracht wird. Anderwärts hat dio Geist-
lichkeit einen weit grössern Einfluss auf die Volksschule, ist ihr selbst un-
mittelbar unterstellt. Es rührt aber letzteres daher, dass im Mittelalter
das Wenige, was im Volksunterrichte überhaupt geschah, von der Kirche,
namentlich von den Klöstern, ausging, und dass auch, als die Reformation
auf Verbreitung der Bildung drang, sie die Schulen als einen Anhang an
die Kirche und als eine Hauptstütze der neuen Lehre betrachtete. Als
oun später der Staat, des weiteren Zweckes der Schule und seiner eigenen
Aufgabe sich bewusst werdend, die Sache aufzunehmen begann, so wurde
doch nicht vollständig mit dem Herkömmlichen gebrochen, sondern ein
kirchlicher Charakter der Volksschule wenigstens theilweise beibehalten.
In dieser unklaren Vermischung und wohl auch zur Vermeidung der Schaf-
fang neuer Staatsbehörden blieb dann nicht selten die Leitung des Volks-
schulwesens durch alle Instanzen hindurch den geistlichen Behörden über-
lassen, wenn sehon unter oberster Aufsicht einer Staatsbehörde und mit
beständigem legislativen Eingreifen von Seiten der Regierungsgewalt. Dies
Alles war nicht eben logisch, allein die Einrichtung hat doch oft lange Zeit
bindurch nicht schlecht gewirkt. — Diese Verschiedenheiten sind somit
nicht ohne Bedeutung, doch ändern sie das Wesen der Sache nicht.
Da denn auf solche Weise die wichtige Angelegenheit wenigstens in
der Hauptsache genügend geordnet erscheinen konnte, so mag es auf den
ersten Anblick Verwunderung erregen, dass in der jüngsten Zeit in meh-
reren deutschen Staaten die Organisation und Leitung der Volksschule
principiell in neue Behandlung genommen wurde und zu ausführlichen Ge-
setzgebungen Veranlassung gab, selbst auf die Gefahr hin, in bitteren Streit
mit den Kirchen, namentlich mit der katholischen Kirche, zu gerathen und
in einer bisher ruhigen Seite der öffentlichen Zustände tiefgehende Be-
wegungen hervorzurufen. Man ist fast versucht zu glauben, dass unnöthiger
Weise den vielen Veranlassungen zur Unruhe und zum Kampfe eine neue
beigefügt worden sei. Bei genauem Zusehen erkennt man jedoch, dass
genügende Gründe für ein solches Verfahren vorliegen und der Staat in
der That keine Wahl hatte.
Den ersten Anstoss zu einer umfassenden Behandlung gab das aller-
wärts auftauchende und unermüdlich fortgesetzte Begehren der Schul-
lehrer nach einer besseren pecuniären Stellung. Die Forderung war be-
gründet genug. Einerseits waren die Gemeinden in der Regel von An-
fang an karg in ihren Zumessungen gewesen, und überdies die Gehalte bei