Die Universitäten. 223
Inhaber solcher Stellen nicht nöthig, sich in der Hauptsache um eine andere
sichere Stellung im Leben umzuselien, auf welche sie sich zurückziehen
können, wenn sie unversehens aus ihren Stellen geworfen werden; sie
brauchen nichts anderes zu sein, als Verwaltungsbeamte, nichts anderes zu
verstehen als Staatswissenschaften. Somit kann aber natürlich der Staat
auch von ihnen verlangen, dass sie sich ausschliesslich tüchtig machen zur
Versehung ihrer Aemter, so gut wie die Kirche diess von ihren Geistlichen,
der Staat selbst von den Rechtsgelehrten, den Aerzten u. 8. w. verlangt.
Hierdurch wird die Möglichkeit und selbst die Notliwendigkeit eines aus-
gedehnten systematischen Studiums der Staatswissenschaften gegeben, wie
es in diesem Grade und für so Viele in Frankreich, England, Belgien, den
Vereinigten Staaten u. s. w. allerdings nicht bestehen kann.
Sind nun aber diese allgemeinen Forderungen, ist dieser besondere
Umstand in der Organisation unseres Studienwesens bereits gehörig berück-
sichtigt? — Offenbar nein. Mit ganz wenigen Ausnahmen ist auf den deutschen
Universitäten nur Geringes, Zufälliges und Unorganisches für das Studium
der Staatswissenschaften geschehen. Die «Ökonomische» Fakultät der hohen
Karlsschule in Stuttgart, die erste Einrichtung dieser Art, ist mit der ganzen
merkwürdigen Anstalt, deren Theil sie bildete, verschwunden. Die Kameral-
schule in Lautern ist mit der Universität Heidelberg verschmolzen worden,
aber nicht als ein organischer Theil zugewachsen, sondern in der philo-
sopbischen Fakultät untergegangen. Gegenwärtig bestehen nur auf drei
Universitäten eigene für dieses Studium bestimmte Fakultäten, nämlich in
München, Würzburg und Tübingen, und von diesen ist wieder nur die
Tübinger vollständig ausgestattet. Ferner sind auf den beiden kleinen
Schweizer Universitäten Bern und Zürich die juristischen Fakultäten durch
Beifügung einiger Lehrstühle für politische Wissenschaften zu staatswissen-
schaftlichen Fakultäten erweitert. Sonst überall ist wohl ein Lehrstuhl für
politische Oekonomie in der philosophischen Fakultät errichtet und mögen
entweder in der juristischen oder in der philosophischen Fakultät einzelne
Vorlesungen über Staats- und Völkerrecht oder über Politik gebalten wer-
den; allein von einem bewussten Streben, für die Gesammtheit der Staats-
wissenschaften zu sorgen oder gar von einem vollständigen Organismus zu
diesem Zwecke ist nicht die Rede. Auch ist nicht etwa anderwärts als auf
Universitäten dafür gesorgt. Es bestehen nirgends etwa eigene Schulen
für den Unterricht in den fraglichen Wissenschaften, wie im vorigen Jahr-
hunderte die Kameralschule in Lautern war, oder sind die in den letzten
Jahrzehnten so vielfach entstandenen und zum Theile so ausgedehnten poly-
technischen Anstalten und die landwirtbschaftlichen Akademieen dazu benützt.
Wenn Letzteres nun auch an und für sich keineswegs zu beklagen ist, (wie
weiter unten in der besonderen Abbandlung über die Bildung der Ver-