Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

12 Die Volksschule. 
der immer fortschreitenden Verminderung des Geldwerthes und der gleich- 
zeitigen Erhöhung der Lebensansprüche noch immer geringer und sehr oft 
ganz unzureichend geworden. Andererseits wurde durch die Seminarerzie- 
hung der Schullehrer, welche dem gauzen Stande eine höhere Bildung gab, 
auch der Maassstab für die äussere Stellung eine andere. Dass der wenig- 
stens halbgelehrte Schullehrer jetzt nicht mehr bezahlt werden konnte wie 
früher ein alter Invalide oder gar der Dorfhirte, welcher im Winter Schule 
hielt, war selbstverständlich, Zu Nebenverdienst war an vielen Orten keine 
Gelegenheit oder blieb den Lehrern bei den hoch gesteigerten Ansprüchen 
an den Schulunterricht keine Zeit dazu. Man lief offenbar Gefahr keine 
Schullehrer mehr zu finden. Mochte nun auch ein Theil der nicht länger 
zu verweigernden Aufbesserungen den Gemeinden zugemuthet werden können, 
immerhin blieb für einen bedeutenden Rest nichts übrig, als die Stantskasse 
damit zu belasten. Die bieraus entstehende Forderung aber war um so 
bedeutender, als zu gleicher Zeit, freilich aus anderen Ursachen, verlangt 
wurde, dass den Schullehrern die früher ganz allgemein übliche Versehung 
von niederen Kirchendiensten, namentlich der Messnerei, abzunehmen sei, 
wodurch oft ein namhafter Theil der bisherigen Bezüge wegfallen musste. 
Allerdings war dieses finanzielle Bedürfniss kein Grund zu einer Aenderung 
in dem eigentlichen Systeme der Volksschule; allein eine Revision der Aus- 
seren Verhältnisse und eine gleichförmige Ordnung mancher bisher natur- 
wüchsigen Zustände würde doch nothwendig, wenn der Staat bleibend und 
grundsätzlich grosse Verbindlichkeiten übernehmen sollte. 
Tief in das Wesen selbst griff ein zweiter gleichzeitiger Grund zu einer 
neuen Gesetzgebung ein, nämlich die gegenwärtig mehrfach in Bewegung 
befindliche Trennung des Staates von der Kirche. So lange Staat und 
Kirche als zwar verschiedene, aber doch vielfach sich durchdringende und 
bedingende, dadurch aber mehr oder weniger eine Einheit bildende Anstalt 
betrachtet wurde, der Staat vielleicht gar auf verschiedenen Gebieten die. 
ihın grundsätzlich zustehenden Rechte an die Kirche abgetreten hatte, konnte 
er auch in Schulangelegenheiten durch die Geistlichkeit manches besorgen 
lassen, was eigentlich seines Amtes und ursprünglich von ihm angeordnet 
war, und mochte umgekehrt die Geistlichkeit Anordnungen von Staatsbe- 
ıörden vollziehen, welchen sie in der Hauptsache nicht unterstand. Sobald 
aber der Grundsatz der völligen Trennung ausgesprochen war, musste auch 
das Verhältniss der Volksschule der ncuen Sachlage gemäss geordnet werden. 
Während derStaat der Kirche den in der Schule zu ertheilenden Religionsun- 
terricht ausschliesslich und unbeeinflusst zu überlassen hatte, konnte er 
nicht umhin, die ganze weltliche Bildung an sich zu ziehen und, da letz- 
tere doch weitaus die Hauptsache war, er überdies den ganzen Organismus 
der Volksschule schuf und diese mittelbar oder unmittelbar erhielt, sie als 
 
	        
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