Die Volksschule. 13
eine wesentlich weltliche und staatliche Anstalt zu erklären und zu behan-
deln. Diese Auseinandersetzung war dann aber keine leichte Aufgabe. Ab-
gesehen davon, dass namentlich die katholische Kirche das Schulwesen
überbaupt als eine kirchliche Anstalt in Anspruch nalım, war die Frage zu
beantworten, wie der Religionsunterricht in der Schule und überhaupt die
religiöse Erziehung in der Schule in Einklang gesetzt werden könne mit
dem weltlichen und itzt vom Staate festzustellenden Unterrichtsplane. Neben-
bei war auch noch der Anspruch der Geistlichkeit auf Fortsetzung der bis-
herigen amtlichen Leitung des Schulwesens und auf Beibehaltung der bis-
herigen beaufsichtigenden Behörden eine in mehrfacher Beziehung wichtige
und schwierige Frage.
Ein weiterer dringender Grund, das Schulwesen in die Hand zu neh-
men, war dadurch gegeben, dass die Masse der Bevölkerung mehr und
mehr zu wichtigen politischen Funktionen herangezogen wurde, zu deren
auch nur leidlicher Erfüllung ein Grad von Bildung gehört, welcher nur
durch eine recht gute Volksschule begründet werden kann. So z. B. der
Dienst als Geschworener; die weiter ausgedehnte Autonomie der Gemeinden
und Bezirke; die vielfachen Wahlen zu Staatszwecken, namentlich seitdem
das Danaergeschenk des allgemeinen Stimmrechtes in die Welt gekommen
ist. Es war also mit dem blossen nothdärftigen Erlernen von Lesen, Schrei-
ben und Rechnen und mit mechanischem Auswendiglernen von religiösem
Stoffe nicht mehr gethan. Mit anderen Worten, der Lehrplan musste im
staatlichen Interesse umgestaltet und erweitert werden.
Schliesslich mag noch erwähnt sein, dass auch noch wirtlschaftliche
Rücksichten als ein wo nicht drängender, so doch nebenbei geltend zu
machender Grund für eine möglichst gute Schulbildung geltend gemacht
wurden. Dio Landwirthschaft muss jetzt rationeller betrieben werden, also
auch der Bauer grundsätzlichen und thatsächlichen Belechrungen zugänglich
sein. Der Handwerker hat sich gegenüber von den Fabriken und im Systeme
einer vollen Gewerbefreiheit mit vermehrter Einsicht zu benehmen, wenn
er nicht zu Grunde gehen soll. Für das weibliche Geschlecht sind selbst-
ständige Ernährungsmöglichkeiten zu eröffnen, da die Schliessung von Ehen
vielfach seltener geworden ist.
Wie hoch oder wie nieder man nun auch die Bedeutung dieser cin-
zelnen Gründe, sei es an sich sei es im Verhältnisse zu den durch eine
Bewegung der ganzen Angelegenheit hervorzurufenden Schwierigkeiten, an-
schlagen mag: Niemand wird in Abrede ziehen können, dass ihr gleichzei-
tiges Auftreten von einem zwingenden Einflusse war. Diejenigen Staaten,
welche in der jüngsten Zeit das Volksschulwesen einer systematischen Neu-
gestaltung unterzogen haben oder zu unterziehen im Begriffe sind, hatten
in der That keine Wahl. Und auch eine blosse Verschiebung bis auf eine