Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

in seinem Verhältnisse zur Bildung. %61 
nützlich, 80 reicht auch das wirklich zu erlangende Urtheil für die nächsten 
Zwecke in der Hauptsache aus. Die Nöthigung zur Erwerbuug von Kennt- 
nissen bleibt dieselbe, wenn die Entscheidung über das wirklich erlangte 
Masss auch nicht ganz unzweifelhaft und unanfechtbar ausfällt; und eine 
verständige Prüfungsbehörde wird immerhin eine annähernd richtige Schätzung 
über die geistige Begabung im engeren Sinne des Wortes und über die 
Ausdehnung und Gründlichkeit des Wissens zu gewinnen im Stande sein, 
so dass mit Billigkeit über die Zulassung zum Staatsdienste oder zu der 
fraglichen Kunst entschieden werden kann. Nicht ein Fehler der Einrich- 
tung, sondern ein Fehler ihrer Anwendung ist es, wenn man mehr und 
Anderes von ihr verlangt, als sie leisten kann und soll. Es ergibt sich 
also aus dieser Unvollkommenheit schliesslich nichts weiter, als dass man 
einer Seits in sachlicher und persönlicher Beziehung unvollständig prüft, und 
dass anderer Seits dem Prüfungsergebnisse kein anderer und kein grösserer 
Werth beigelegt werden darf, als es nach seinem ganzen Wesen haben 
kann. Dasselbe soll über die Zulassungsbefähigung entscheiden, aber nicht im 
Widerspruch mit den wirklichen Leistungen im Leben fort und fort einen 
bestimmenden Einfluss auf die Verwendung und ein feststehendes Urtheil 
über den Werth eines Mannes abgeben. 
Von positiv unwünschenswerthen Folgen der Staatsdienstprüfungen ist 
ohne Zweifel die Feststellung der Fach-Studien auf das Maass des für die 
Prüfuogen Erforderlichen und die diesen gesteigerten Forderungen ent- 
sprechende Verminderung der allgemeinen Bildungszweige die bei Weiten 
bedeutendste. Selbstverständlich ist von diesem Uebel in solchen Ländern, 
in welchen durch Einführung von Prüfungen überhaupt erst eine wissen- 
schaftliche Bildung bei den künftigen Kirchen- und Staatsbeamten er- 
zwungen werden soll, nichts zu fühlen; hier ist Alles, was erreicht wird, 
Gewinn, und von einer Verminderung einer früheren höheren allgemeinen 
Ausbildung der Jugend kann keine Rede sein, da eine solche überhaupt 
gar nicht bestand. Wohl aber tritt dieser Austausch von Kenntnissen bei 
solchen Nationen ein, welche schon länger überhaupt gebildet waren und 
wo itzt grösseres Gewicht auf das Berufswissen gelegt wird. Während man 
also dort der Sache noch auf lange hin den Lauf lassen kann, ist hier eine 
Abhülfe sehr wünschenswerth. Leider ist eine solche schwer zu finden. 
Offenbar muss, wenn der Zweck erreicht werden soll, eine Verbindung 
zweier Maassregeln eintreten: eine Verlängerung der Studienzeit, um für 
Allgemeines und Besonderes Zeit zu gewinnen; und eine Sorge dafür, dass 
von der verlängerten Zeit auch wirklich ein genügender Theil auf allgemeine 
Fächer verwendet werde, was dann entweder durch Zeugnisse über den 
Besuch einschlägiger Vorlesungen oder durch eine eigene Zwischenprüfung 
möchte erreicht werden wollen. Beides ist nun aber schwer zu erreichen.
	        
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