Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Die Volksschule. 2 
haudeln, einen Mann ausfindig zu machen, welcher geeignet ist, üble Zu- 
stände in der Gemeinde zu verbessern, also gerade solche, welche auch die 
Wähler selbst mehr oder weniger ergriffen haben. Diese sollen somit ein- 
sehen, dass sie religiös, sittlich oder intellectuell bisher auf dem unrechten 
Wege waren, und dass ihnen selbst und den Ihrigen eine Verbesserung 
noth thut. Eine solche Selbsterkenntniss ist nun für Jeden und in allen 
Verhältnissen schwer, der Entschluss, sich und Andere zu bessern, erfordert 
eine sittliche und verständige Kraft, welche keineswegs überall zu erwarten 
ist. Mit Unrecht würde man jedoch hierdurch zu dem Schlusse kommen, 
dass wenigstens in Ländern, welche Pfarr- und Schullehrerwahlen kennen, 
eine bedeutende Steigerung der allgemeinen Volksbildung unerlässliche For- 
derung sei. Es soll zwar nicht geläugnet werden, dass die Einrichtung um 
so leichter und unschädlicher durchführbar ist, je höher die durchschnitt- 
liche Volksbildung steht; allein der Kern der Frage wird hierdurch doch 
nicht getroffen. Mag man sich den allgemeinen Bildungsgrad der grossen 
Menge, namentlich auf dem Lande, noch so gross denken, als man es 
überhaupt vernünftigerweise tlıun kaun, so bleiben doch die Hauptschwie- 
rigkeiten unberührt. Einmal die Aufgabe, über Kenntnisse und Befähi- 
gungen zu urtheilen, welche jedenfalls und immer über dem Verständnisse 
der Wählenden stehen, und unter Männern eine Auswahl zu treffen, deren 
persönliche Eigenschaften und bisherige Leistungen wegen ‘eines entfernteren 
Wohnsitzes den Entscheidenden in der Regel unbekannt sind. Sodann 
aber, wenigstens in manchen und dann gerade in den wichtigsten Fällen, 
die Nothwendigkeit eines Selbstbewusstseins bisheriger eigener Fehler und 
des festen, selbstverläugnenden Willens, sich zu bessern und bessern zu 
lassen. Man wird nun zugeben, dass dieso Forderungen an die Wähler 
durch eine etwaige Steigerung des Volksunterrichtes kaum nennbar werden 
gefördert werden; ist auf ihre Erfüllung doch selbst bei weit höher Gebil- 
deten nur schwer und stellenweise zu hoffen. Der richtige Schluss, welcher 
aus diesen Unzuträglichkeiten gezogen werden muss, scheint daher eher 
der zu sein, dass das ganze System der Pfarrer- und Schullehrer-Wahlen 
ernstlichen Bedenken unterliegt, und dass es daher nur da, wo überwie- 
gende Gründe hierüber wegsehen lassen, überhaupt angerathen werden 
kann. Solche Gründe mögen denn etwa sein: uraltes Herkommen, dessen 
Beseitigung als eine Härte und Ungerechtigkeit betrachtet werden und eine 
Ursache zu bedenklichem Missvergnügen sein würde; oder die Nothwen- 
digkeit, ein confessionelles Misstrauen gegen die Regierung ferne zu halten, 
falls und soweit ein solches desshalb bestehen könnte, weil die Regierungs- 
mitglieder einer anderen Kirche angehören, sie somit theils im Verdachte 
proselytischer Bestrebnngen stehen mögen, theils eine Ernennung von Schul- 
lehrern und namentlich Geistlichen durch sie als eine Gefahr und als eine
	        
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