der Wissenschaften. 339
fremd bleibenden cisleithanischen Reichshälfte? Diess Alles und vielleicht
noch vieles Andere liegt im Reiche der Möglichkeiten; je nachdem aber
der Erfolg ausfällt, ergeben sich daraus, neben anderen allerdings sehr viel
wichtigeren Folgen, auch für die verhältnissmässig bescheidene hier vor-
liegende Frage entscheidende Antworten, welche denn eben mit dem Ueb-
rigen abzuwarten sind. Nur so viel ist klar, dass cs gerade die beiden
unwahrscheinlichsten Unterstellungen sind, welche für die Wiener Akademie
eine Stellung als deutsche Centralanstalt zur Folge haben könnten, näm-
lich: die Unterwerfung ganz Deutschlands unter Oesterreich, sodann die
Wiedererrichtung eines deutschen Bundes mit vorwiegender Stellung Oester-
reichs. In jenem Falle wäre sie einfach Reichsakademie; in diesem könnte
die frühere Phantasie einer grossen Bundesakademie wieder zur Sprache
kommen, zur Grundlage derselben aber die Wiener bestimmt werden. Vor
der Hand, und diess ist das Einzige was hier zunächst festzustellen ist,
kann das Vorhandensein einer Akademie in Wien nicht als eine Verwirk-
lichung des hier Geforderten betrachtet, noch dieselbe auch nur bei einer
solchen Verwirklichung verwendet werden.
Anders, in der Hauptsache aber kaum günstiger, liegen die Dinge bei
den beiden Akademieen in Berlin und in München. Allerdings haben
Preussen und Bayern, als die beiden grössten deutschen Staaten, welchen
somit auch relativ die meisten intellectuellen und wirthschaftlichen Mittel
zur Errichtung und Erhaltung eines grossen wissenschaftlichen Vereines zu
Gebote standen, schon längst solche errichtet, und es soll nicht entfernt an
der Bedeutung und dem Ruhme vieler Mitglieder derselben oder an der
Wichtigkeit ihrer literarischen Veröffentlichungen gemäckelt werden. Beide
haben in ihren Kreisen bedeutend genützt und gereichen in ihrer Art
Deutschland zur Ehre; sind auch rein deutsche Anstalten. Allein mit alle
dem waren diese Akademieeu doch bisher nur, im Verbältniss zu ganz
Deutschland, Provinzialanstalten. Ihre ordentlichen Mitglieder waren nur
aus dem Lande selbst, um nicht zu sagen aus der Stadt selbst. Das ganze
übrige Vaterland hatte keinen Antlieil an der Besetzung. Zuweilen wurde
freilich wohl einmal ein berühmter Mann aus einem andern deutschen
Staate berufen um in der betreffenden Akademie wirksam zu sein; dann
trat er aber eben ganz über in den öffentlichen Dienst der berufenden Re-
gierung. Daraus folgte nun aber nicht nur, dass keiner dieser Vereine
an Zahl seiner Mitglieder sehr imponirte, sondern auch, dass mancher
Mann im sonstigen Deutschland in seinem Fache mindestens so hoch als
Jeder stand, welcher gerade in Preussen oder in Bayern, richtiger ge-
sagt in Berlin oder München, diesen Zweig des Wissens bearbeitete,
aber äusserer Gründe halber nicht herangezogen werden konnte. So ferne
sich der gebildete Theil der Bevölkerung überhaupt um diese Akademieen
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