Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

der öffentlichen Aemter und deren Folgen. 353 
L Die möglichen Besetzungsarten der Öffentlichen Aomter. 
Genaueres Nachdenken und Zurathchaltung der Erfalırung zeigt, duss 
in einem Staate der Gegenwart die Besorgung Öffentlicher Geschäfte naclı 
drei wesentlich verschiedenen Grundansichten geordnet sein kann; durch 
eine systematisch geordnete Ernennung berufsinässiger Organe des Inhabers 
der Staatsgewalt, sei es mit sei es ohne Recht auf das übertragene Aınt; 
durch gewählte Vertreter aristukratischer oder demokratischer Gewalten ; 
endlich durch gesetzlich bestimmte Verwalter nachbarlich gemeinschaftlicher 
Interessen, welche wieder in verschiedener Weise ernannt und verschiedenen 
Gesellschaftsklassen entnommen sein können °). 
ı) Um diese Aufsäblong nnd die aus ihr sich ergebende Umgränzung der vorliegenden 
Erörterungen gerechtfertigt zu finden, Ist es nothwondig Zweicrlel Ins Auge an fassen. Ein- 
mal, dass nur von den Einrichtnngen eines Rechtsstastes der Gegenwart die Rede sein aoli. 
Zweitens, dass aneh bei diesen solche Besetzungsarten der Aemter ausser Beachtung gelassen 
sind, welche als vollkommen unzulässig erscheinen und somit keine Erörterung verdienen. 
Was den ersten Punkt betrifft, so können allerdings in anderen Staatsgattungen die 
öffentlichen Geschäfte in wesentlich verschiedener, dem Grundcharakter solcher Ordnungen 
des Zusammenlebens entsprechender Welse verschen werden. — 8o ist es z. B. in einer 
Theokratie nicht nur möglich sondern sogar zu ihrer Erhaltung notbwendig, dass wenlg- 
stens die wichtigeren Aomter Priestern Übertragen sind. Die Intereasen der Hierarchie wären 
in den Händen der Laien nicht a0 sicher gestellt, als in denen ihrer eigenen Mitglieder; auch 
wäre es da, wo die heiligen Bücher zugleich die Gesetze für das staatliche nnd das bürgerliche 
Leben enthalten, grundsätzlich nnmöglich, Ihre Ausiegnng und Aufrechterhaltung Anderen 
als den Priestern selbst zu übertragen. Einen grossen Unterschled muss es dabei freilich 
machen, ob nach den betrefienden Satzungen das Priestertham dnroh Geburt entsteht oder 
erst durch Weihe. In jenem Falle ist es fast natürlich, dass anch gowlsse Acmter erblich 
bestimmten Familien oder Stämmen angehören, was einerseits allerdings eine frühe Ausblidang 
und eine feste Ueberlieferung In Betreff der Verwaltungsart zur Folge hat, aber nothwendig 
auch eine mehr oder weniger bedentende Beschränkung des regierenden obersten Prieatcers. 
Im andern Falle näbert sich die Einrichtung mehr den In einer weltlichen Monarchie bestehen- 
den Zuständen und der Bestellung von berufsmässigen Beumten, freilich mit dem wosent- 
lieben Unterschiede, dass die Erziehung nicht für die weltlichen Geschäfte sondern für eine 
ganz andere Richtung und Boschäftigung berechnet Ist. In der einen wie in der anderen 
Unterstellung bleibt freilich das charakteristische Merkmal, aber auch der unermessliche 
Febler dieser Regierungsweise, nämlich die tiefe Kluft zwischen den Rechten nnd den Inte- 
ressen der Hierarchie und denen des Laienvoikes, die gieiche. — In einem lehonsherr- 
lichen Patrimonlalstaatedagegen können die öffentlichen Aemter, und zwar möglicher- 
weise In grosser Ausdehnung und In verschiedenen Abstufungen, ebenfalls zu Leboı gegeben 
und mit dem Besitze bestimmter Güter verbnnden scin. Dann gehen sie, mit Ausnahme der 
dem I,ehensherrn sn wahrenden Trene, In Privatbesitz über und werden auch im Binne nnd 
Geiste eines solchen Besitzes verwaltet. Von Bedingungen der Befähigung Ist dann natürlich 
keine Rede; wohl auch nicht elnmal von der Nothwendigkeit einer eigenen Besorgung (der 
Privatbesitzer kann Ja cinen Verwalter für sein Gnt und sein Recht bestellen oder es in After- 
lehen geben). Selbstredond geht Lei solcher Einrichtung nicht nur das Bewusstsein der Zu- 
sammengthörigkeit des gesammten Staates verloren, sondern Ist anch die Verwaltung ledig- 
ieh den Zufällen der In Ihrem Thun und Unteriassen fast unbeschränkten Persönlichkeiten 
auheimgegeben. Bie mag aiso bald eigensüchtig, hart, kenntnissios, bald väterlich und weise 
sein; freilich mit welt grösserer Wahrscheinilchkeit jener Verhaltensweise. — Anders wieder 
in einer Despotie. — Solche unseren Sitten und Zuständen ganz fremde Einrichtangen näher 
su besprechen, hätte offenbar gar keinen praktischen Nutzen und untorbleibt also. Allerdings 
besteht in dem Kirchenstaate anch noch In der Gegenwart eine Priesterverwaltung ; allein es 
ist dieser auf einen kleinen Fleck Landes beschränkte Anachronismus zu unbedentend und 
ist seine Anwendbarkeit anderwärts so ganz ausser aller Frage, dass or füglich unveachtet 
vr. Mohl, Staatsrecht. Bd. IIL 23
	        
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