Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

354 Die verschiedenen Besetzungsarten 
a) Die Besorgung der öffentlichen Geschäfte durch berufsmässige 
Organe der öffentlichen Gewalt ist weitaus in den meisten Staaten der 
  
bleiben kann. Die Folgen dieser Art die öffentliehen Geschäfte zu betreiben liegen überdiess 
offen su Tage und sind hiareichend besprochen. Von Feudalstanten aber ist keine Heode 
mehr. llöchstens ist noch da oder dort In der Form der gutsberrilchen Polizel ein Btäckchen 
alter Junkerberrlichkelt übrig geblieben, welche aber auch unaushlelblich dem haldigen Tode 
verfallen ist. Despotieen bestehen freilich auch Itzt noch in Europa; jeden Falles wird die 
Türkei in dieser Weise regiert, und auch Russland Ist In seinen Grundlagen elne Gewalt- 
berrsschafi, wenngleich dieselbe darch den Einfluss westlicher Bitten gemildert und In ein- 
selnen Prorvinsen durch Erwerbungs-Vorhältnisse beschränkt sein mag. Wir haben aber mit 
unseren eigenen Angelegsubeiten zu viel zu thun, ale dass Zeit und Raum zur Boschäftignng 
mit so ganz fremdartigen und für uns kaum drohenden Zuständen übrig wäre. 
Unter den wegen völliger Unzulässigkolt gar nicht in den Bereich der Besprechungen 
gezogenen Boselzungarten der Btaatsdienste ist die Erwerbong durch Kauf und durch Erb- 
recht. Die eine und die andere Art eine Btelle im Dienste eines Rechtsstantes zu verleihen 
ist unbedingt unvernünftig, aus welcher Ursache sle auch eontsprungen sein mag. — Kauf 
kann in swelerlei Welse stattfinden. Entweder so, dass dom Staate, besiehungeweise dem 
Fürsten, eine mit der Bedeutung des Amtes und namentlich mit dem Kinkommen aus dem- 
selben Im Verhältnisse stehonde Summe für die Ernennung bezahlt werden muss; oder 
aber Indem der Inhaber eines Amtes dasselbe an einen Lust Tragenden gegen eine unter 
ihnen verabredete Summe abtritt, der Stast aber den Kanfenden anerkennt. Im dem einen 
wie in dem anderen Falle wird also nicht die Tauglichkeit sondern oine der Geschäftsbesor- 
gung gans fromde Thatsache, der Besitz einer bestimmten Geldsumme, bei der Anvertrauung 
eines Öffentlichen Amtes berücksichtigt; ia beiden Fällen wird der Reiche, als solcher, be- 
günstigt, der Arme, und wenn er alle Eigenschaften besässe, zurlickgewiesen; in beiden gibt 
der Staat mit bandgreiflicher Pfliehtrersänmung seine eigenen Rechte und Interessen und die 
seiner Bürger dem blosen Zufalle aubeim; in beiden besteht handgreiflich die Gefahr, dass 
der Käufer durch Missbräuche im Amte die von Ihm für dasselbe orlegte Summe wieder su 
erlangen snchen wird, doppelt so wenn der Staat der Verkäufer ist, also nicht einmal Hoffnung 
auf einen olnstigen Wiederersats lat. — Allerdings mag der gröbste Widersinn und mögen die 
schreiendsten Missbräache dadarch zum Thelle beseitigt werden, dass ein erlodigtes Amt nicht 
an Jeden, welcher den Preis su zahlen fählg und berelt iet, gegeben werden soll, sondern 
Befäklgungsbedingoangen gemacht werden; allola in der Hauptsache bleibt doch auch hier die 
Verkehrthelt und das Uobel. Die Unwürdigkelt und Unvernünftigkeit des ganıen Godankens 
und Vorfahrens blelbt anch so. Die Fählgkeitsbeweise werden sehr nieder bestimmt und 
noch laxer wirklich gefordert werden, weil man sich ja sonst den Markt verderbt; es werden 
also Immer Untüchtige genug einzutreten wissen. Die Unmöglichkeit für den Arınen wird 
nicht anfgehoben, der Reiz zum Missbrauche des Amtes nicht vermindert. — Was aber die 
Erblichkeit der Aemter betrifft, so steht dieseibe mit dor ersten Forderung an eine gule Be- 
sorgung Öffentlicher Geschäfte, nämlich mit der persönlichen Befähigung des damit Beauf- 
tragten, in so entschledenem Widerspruche, dass sie unbedingt verworfen werden muss. 
Weder ist irgend eine Bicherheit filr das Vorhandensein der nothwendigen natürlichen An- 
lagen vorhanden, noch kann verninfilgerweise die Hoffuung gehegt werden, dass die durch 
Erziehung und eigene Anstrengung zu erwerbenden Kenntnisse regelmässig, ernsülich und 
gowiasenhaft von dem doch unter allen Umständen zu dem Amte Gelangenden erworben wer- 
den. Das Wohl der Gesammthelt und der Eiazelnen wird lediglich, und zwar unter uagünstl- 
gen Chancen, dem blosen Zufalle überlassen. Ansserdem fehlt die Möglichkeit in ansser- 
ordentlichen Fällen such den ihnen ausserordentlicherweise gewachseneu Mann an eine be- 
stimmte Stelle zu bringen, so wie der Antrieb des Ehrgeises oder sonsilgen Interesses zu 
besonderer Ausselchnung. Allerdings konnen wir in unseren Staatsorganismen die Erblich- 
keit wichtiger stastlicher Stellungen ; so die der Staatsoberhäupter selbst, ferner, wenigstens 
häufig, eines Thelles der Mitglieder erster Kammern. Allein diese Kinrichtungen können 
keine Veranlassung zo oiner Ausdehnung auf die Verwaltungsämter abgeben. Für die Erblich- 
kelt der monarchischen Gewalt sprechen, auch abgesehen von geschichtlichen Rechisgründen, 
so überwiegende politische Gründe, dass die, unläugbar auch hier vorbandenen, Sohalten- 
selten In den Hintergrund treten; diese Verhältnisse aber sind so eigenthämlich, dass ale anch 
nicht die enifernteste Analogie für gewöhnliche Aemter bleten. Auch für die Erblichkeit der 
Mitglieder von Oberbäusern lassen sich gewichtige Gründe geltend machen, namentlich die
	        
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