Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Volksfeste. 483 
Zeit eingetreten, indem wir itzt wieder, und zwar namentlich in Deutsch- 
land, eigentliche Volksfeste und zwar in grosser Zahl und Verschieden- 
heit feiern sehen, in Veranlassung irgend einer körperlichen Uebung 
oder der Begründung einer nützlichen Gesellschaft, einer Gesangesübung, 
häufig mit einem bestimmten staatlichen oder gesellschaftlichen Neben- 
zwecke; der Form nach aber weniger durch feine Gestaltung und Acsthetik 
als durch lärmenden Lebensgenuss grosser Massen bemerkenswerth., Zum 
Tbeile sind dieselben im grossartigsten Maassstabe angelegt, unter Auffor- 
derung der ganzen Nation zur Theilnahme, zum Theile nur örtlicher Art 
und bescheiden; immer aber gehen sie aus dem Willen des Volkes hervor, 
werden von ihm geordnet, geleitet, bezahlt. Der demokratische Charakter 
der Zeit spricht sich sowohl in dem Stande der Theilnehmenden, als in den 
Programmen der Feste aus. Es ist massenhaft für Speise und Trank, für 
rauschende Musik und Tanz gesorgt, es kann entweder Jeder nach Belieben 
sich betheiligen, oder es gehören wenigstens die Veranstalter und Theil- 
nehmer den mittleren und selbst unteren Klassen an. Die höheren Klassen 
halten sich ziemlich ferne, wenn nicht gelegentlich aus einem Erscheinen 
unter der Menge und einer symbolischen Theilnahme an deren Vergnügen 
politisches Kapital gemacht werden will. 
2. Veranstalter. 
Man muss zweierlei Gattungen von Volksfesten wohl unterscheiden; 
solche, welche dem Volke gegeben werden, und solche, welche es selbst 
veranstaltet. 
Von den ersteren gibt es denn aber wieder zweierlei Unterarten. — 
Die einen sind herkömmlich und werden von den gewohnheitsmässig han- 
delnden Urhebern, vielleicht mit einem ursprünglich die Veranlassung geben- 
den Nebenzwecke, in der Hauptsache aber zum unbestimmten Vergnügen der 
Menge gegeben. Ein Dank dafür wird weder beansprucht noch auch an- 
derer Seits für nöthig erachtet. Hierher gehören einige der grossen Volks- 
feste in Süddeutschland, z. B. in München und Canstadt, welche hervor- 
gegangen sind aus landwirthschaftlichen Schau- und Preisanstalten, diesen 
Charakter aber in der Hauptsache längst verloren haben; ferner einige rus- 
sische Volksfeste. — Die andere Art hat dagegen eine bestimmte Absicht. 
Entweder soll dadurch bei der engebrachten Menge ein Interesse 
an der Kirche und ihrem Glanze sowie ein sinnlich irrationaler Glaube er- 
weckt und erhalten werden, wie diess z. B. bei den grossen Kirchenfcsten 
in.Rom, bei den unzähligen kleineren in Italien, Spanien u. 8. w. der Fall 
ist. Oder aber hat die Sache eine ganz unmittelbare staatliche Bedeutung. 
Die Geschichte zeigt, dass die Veranstaltung fortwährender glänzender Feste 
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