486 Volksfeste,
ein solcher Zweck erreicht werde? — Bei nüchterner Betrachtung muss es
mehr als zweifelhaft erscheinen, ob die eine und die andere Frage bejaht
werden kann.
Was zuerst die Gewinnung einer wirklichen Popularität betrifft,
so liegt es wohl auf der Hand, dass durch nur selten gegebene Feste
ein solcher Zweck nicht zu erreichen ist. Eine nur gelegentliche Be-
lustigung kann eine nachbaltige Wirkung nicht erzeugen; namentlich ist
von einem bleibenden Danke keine Rede. Läuft man doch sogar Gefahr
Spott und positiven Undank hervorzurufen, wenn etwa bei einer solchen
Festlichkeit, was doch so leicht sein kann, ein Missgeschick eintritt oder
die hochgespannten Erwartungen der Menge nicht erreicht werden. Es
wäre geradezu kindisch zu glauben, dass eine dem Volke nicht sympa-
thische Persönlichkeit, eine den Forderungen einer Nation nicht entspre-
chende Regierungsform oder eine mit Gewalt aufgedrungene Dynastie durch
ein jährliches Feuerwerk oder durch unentgeltliche Schauspiele und Kletter-
stangen beliebt gemacht und gestützt werden könne. Wenn ein Volk so
gedankenlos und unwürdig wäre, so verlohnte es nicht einmal die Mübe,
selbst einen so geringen Anlauf zu seiner Gewinnung zu machen. Die ein-
fache 'Thatsache des Besitzes und der Gewalt würden hier genügen. —
Dagegen soll nicht in Abrede gezogen werden, dass durch fortgesetzte
und allmählig tief in die Lebensgewohnheiten des Volkes eingreifende öffent-
liche Belustigungen und Feste ein Erfolg in der gewünschten Richtung er-
zielt werden könne. In solchem Falle mag die Menge durch immer wieder-
holte, ihrem Geschmacke entsprechende und einen Eindruck auf ihre Ein-
bildungskraft machende Schaustellungen befriedigt und allmählig so an
dieselben gewöhnt werden, dass ihr der Gedanke an ein Aufhören höchst
unangenehm wäre und sie daher die Fortdauer der Macht, welche diesen
Genuss gewährt, wünscht und nöthigenfalls selbst unterstüzt. Es fehlt nicht
an Beispielen von Bevölkerungen, welche durch die öffentlichen Spiele und
Feste in ihrem ganzen Sinnen und Trachten gefangen genommen und wo
nicht gerade für eine bestimmte Person so doch für einen staatlichen Zu-
stand gewonnen worden sind. Die Erwägung, dass, wer den Zweck wolle,
auch das Mittel wollen müsse, liegt doch zu nahe, als dass sie selbst dem
Ungebildetsten und Gedankenlosesten ferne wäre.
Allein selbst in diesem Falle, und gerade in demselben, kann doch die
Veranstaltung öffentlicher Feste nicht als ein richtiges staatliches Mittel
orkannt werden. — Zunächst wirkt es selbstredend nur auf Diejenigen, welche
in der Lage sind, an diesem Vergnügen Theil zu nehmen, mit andern
Worten also nur auf die Bewohner der Hauptstadt. (Von einer ausgiebigen
Ausdehnung der Feste auf das ganze Land kann natürlich nicht die Rede
sein; woher sollten zu solchem Aufwande die Mittel genommen werden?)