Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Volksfeste. 487 
Nur also da, wo die Hauptstadt allein, und in der Hauptstadt wieder die 
grosse Menge den Ausschlag in politischen Dingen gibt, kann überhaupt 
von einem Nutzen die Rede sein. In allen andern Fällen ist eine solche 
Begünstigung des Pöbels der Kapitale nicht blos nutzlos, sondern sogar 
entschieden schädlich. Ruht nämlich nach der Verfassung des Staates oder 
nach den gesellschaftlichen Verhältnissen des Landes ein bestimmender Ein- 
fluss in öffentlichen Angelegenheiten in den Händen einer höheren Klasse, 
so wird diese wohl kaum je durch die Möglichkeit eines Mitgenusses solcher 
Volksfeste gewonnen werden. Theils steht im Zweifel ihre Gesittigung über 
einem Gefallen an denselben, theils besitzt sie im Falle des Aufhörens 
noch andere Mittel das Leben zu geniessen. Kurz, auf sie kann durch 
Spiele im Circus kein genügender Einfluss gewonnen werden, um sie ihre 
eigenen Interessen vergessen oder feindseligen Planen entsagen zu lassen. 
Nirgends zeigt die römische Kaisergeschichte, dass Palastrevolutionen oder 
Abfallserklärungen des Senates durch Rücksichten auf die öffentlichen Spiele 
verbindert worden wären. Stehen dagegen die Dinge so, dass das gesammte 
Land, in welcher Art und Form es immer sei, Einfluss auf die staatlichen 
Angelegenheiten hat, so ist ohnedem die Belustigung der Hauptstadt auf 
Kosten des Staatsschatzes eine verkehrte und nachtheilige Maassregel. Können 
doch die ungeheuren Kosten solcher fortgesetzten Feste nur den Provinzen 
entnommen werden, welche um so mehr über die zum blosen Vergnügen 
Anderer zu tragenden Lasten erbittert sein müssen, als sie selbst von dem 
Genusse ausgeschlossen sind. Die Anhänglichkeit des Pöbels der Haupt- 
stadt wird also durch den Hass der Bewohner des übrigen Landes erkauft, 
was eine schlechte Rechnung ist, den einzigen oben angedeuteten Fall aus- 
genommen. Selbst aber bei diesem muss noch bedacht werden, dass eine 
in solcher Weise verwöhnte Stadtbevölkerung wahrscheinlich auch sehr ver- 
weicblicht und ohne Thatkraft ist, dass also die Erwerbung ihrer Anhäng- 
lichkeit gegenüber von dem Unwillen eines ganzen, durch Erpressungen 
zur Verzweiflung gebrachten Volkes gar wohl von geringem Werthe sein 
kann. — Sodann versteht sich von selbst, dass es mit der Verschaffung von 
Vergnügen allein nicht gethan ist; es muss auch für don Unterhalt der zu 
beständigen Festen herangezogenen Menge Sorge getragen werden. Je 
häufiger und je länger der Arbeiter an solchen Antheil nimmt, desto weniger 
kann er verdienen, und desto mehr wird er die Lust verlieren sich anzu- 
strengen. Die Fütterung des Pöbels der Hauptstadt aber hat den doppelten 
Nachtheil eines ungeheuren Aufwandes und einer Steigerung der in der 
Provinz dadurch erzeugten Erbitterung. Es ist in der That menschlicher 
Geduld zu viel zugemuthet, sich in harter und freudeloser Arbeit aufreiben 
zu sollen, um Anderen nicht blos unentgeltliches Vergnügen zu beschaffen, 
sondern sie auch noch nähren zu müssen, damit sie die Feste geniessen
	        
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