Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

492 Volksfeste. 
einer solchen Thätigkeit nicht mangelt, und welche die nöthige politische 
und gesellschaftliche Unabhängigkeit besitzen, um nach ilırer Ueberzeugung 
und nicht nach den wechselnden Launen der Regierung oder der Menge 
zu handeln. Einem solchen Sinne und solchen Zuständen ist nun eine weit 
verbreitete Spielwuth nichts weniger als günstig, (wenn schon es lächerlich 
wäre zu behaupten, dass im Wettrennen die einzige Gefahr liege, oder 
auch nur, dass hohes Spiel nicht vorhanden wäre, wenn keine Wetten bei 
Volksfesten stattfinden.) Was grosses Spiel nährt oder gar nur zu diesem 
Zwecke besteht, ist tief zu beklagen, und es sei, auf die Gefahr hin eines 
sehr kleinbürgerlichen Sinnes beschuldigt zu werden, die Ansicht aus- 
gesprochen, dass die Pferderennen ein unglückliches Volksfest sind. 
Eine dritte unzweifelhafte Folge von gemeinschaftlichen Festen ist die 
tiefere Gründung und die Ausbildung von Genossenschaften, welche ent- 
weder die Veranlassung des Festes sind oder sich doch als solche dabei 
betheiligen und in einer die Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Weise 
auftreten. Der persönliche Umgang, der sinnliche Eindruck einer grösseren 
zu einem bestimmten Zwecke vereinigten Anzahl, die Wirkung von An- 
sprachen tragen hierzu mächtig bei. Die Mitglieder fühlen sich gekräftigt 
und gehoben; bisher ferne Gestandene bekommen Lust beizutreten oder 
Gleichartiges zu veranstalten. — Dass diese Wirkung der öffentlichen Feste 
gar sehr zwei Seiten hat, liegt auf der Hand. Ob sie nämlich cine 
wünschenswerthe oder eine zu beklagende sei, hängt offenbar davon ab, 
welchen Cliarakter solcho Genossenschaften haben. Dieser kann nun aber 
eben so wohl erfreulich als bedenklich sein. Erfreulich ist er fast immer, 
wenn der Verein seine offen aufgestellten Zwecke ausschliesslich festbält. 
Die Gründung und Befestigung von wirklichen Sängervereinen, von frei- 
willigen Feuerwehren, selbst Turn- und Schützenvereinen, kann man nur 
gerne begrüssen und darin auch einen Beweis von gesunden gesellschaft- 
lichen Zuständen finden. Anders stellt sich aber die Sache, wenn (wie 50 
oft der Fall ist) neben dem ostensiblen Zwecke der Vereinigung und eines 
Festes eine andere Absicht verfolgt wird, sei diese nun rein staatlicher 
sei sie gesellschaftlicher Art. Natürlich ist es möglich, dass dieser Neben- 
zweck ebenfalls ein zulässiger und selbst ein wünschenswerther sei, und 
dann ist es auch sehr begreiflich, dass die mit ihm Einverstandenen ihn 
billigen und für sich benützen, jede Kräftigung der Genossenschaft gerne 
seben, so denn namentlich auch Feste, welche zu seiner Verherrlichung 
etwa gefeiert werden mögen. Namentlich in einem heftigen Kampfe nimmt 
man Bundesgenossen gerne an, wo man sie findet. Dennoch hat die Sache 
auch hier schon ihre ernstlichen Bedenken. Einmal leidet der eigentliche 
Zweck der Vereinigung unter einer solchen Nebenabsicht. Sinn und Auf- 
merksamkeit werden von ihm abgezogen; es werden Rücksichten genommen,
	        
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