500 Volksfeste.
Selbst der höhere Bürgerstand nimmt nur etwa an grossen internationalen
Festen entschiedenen Antheil. Dagegen findet sich die genannte zahlreiche
Klasse sehr durch die Feste aller Art angezogen und wird in wirthschaft-
licher, politischer und nationaler, endlich in civilisatorischer Hinsicht von
ihnen berührt.
In wirthschaftlicher Beziehung sind die Folgen bei einem in Zahl
und Art der Feste eingehaltenen Maasse nicht in nennenswerthem Grade
schädlich. Wohl aber treten Nachtheile, vielleicht sehr empfindlicher Art,
ein bei unverständiger Menge und allzu langer Dauer der Zusammenküifte,
oder wenn ein allzu grosser Aufwand für Decorationen, Aufzüge u. dgl.
gemacht wird. Verhältnissmässig grosser Aufwand einer Seits, Arbeitgrer-
säumniss anderer Seits können zum wahren Verderben werden. Eine ver-
ständige Entgegenwirkung ist daher offenbar wünschenswerth. Dass der
Staat das Recht habe, direct eine Beschränkung vorzuschreiben, soll
allerdings nicht behauptet werden; allein nicht nur sind ihm selbstredend
Ermahnungen durch seine Beamte und in der Presse gestattet, sondern er
mag auch in einzelnen Fällen durch Verweigerung oder doch Beschränkung
einer von ihm erbetenen Vergünstigung (z. B. Benützung eines ihm ge-
gehörigen Grundstückes zum Festplatze) unmittelbar zum Maasshalten nöthigen.
Auch kann und soll er, soweit der Haushalt der Gemeinden seiner Ober-
aufsicht unterworfen ist, dafür sorgen, dass nicht durch Beiziehung öffent-
licher Kassen solche Verschwendungen ermöglicht werden. Wirksamer freilich,
als jede Einwirkung der Regierung, wird eine von wohlwollenden und ein-
flussreichen Männern bestimmte und von der Presse unterstätzte öffentliche
Meinung sein. In dieser Richtung thätig zu sein, ist also Verdienst und
sittliche Pflicht; in Volksschriften aber, z. B. in Kalendern, ist der richtige
Platz für eine nöthige Belehrung.
Dass und warum die Volksfeste überhaupt durchsclnittlich in politi-
scher Beziehung nicht günstig wirken, in nationaler dagegen einen guten
Einfluss haben, ist oben erörtert worden. Die Kleinbürger sind in beiden
Rücksichten so wenig ausgenommen, dass vielmehr gerade bei ihnen diese
Folgen besonders hervortreten; in ersterem Betreffe wegen ihres geringeren
Verständnisses, in dem anderen wegen der bei ihnen besonders fühlbaren
Nothwendigkeit einer allgemeinen Auffassung und einer Abstumpfung von
Vorurtheilen. Die bedenkliche politische Folge ist nicht gleichgültig, weil
ein staatlich verbildeter niederer Mittelstand, bei seiner grossen Zahl, in
sehr widriger Weise bei Wahlen auftreten und überhaupt durch störrigen
und abgeneigten Sinn ernste und beständige \Widerwärtigkeiten verursachen
kann; dennoch ist schwer einzusehen, in welcher Weise hier durch stast-
liche Maassregeln Abhülfe geschafft werden mag. Allerdings gewährt,
wenigstens in manchen Ländern, die Gesetzgebung das Mittel, politische