Volksfeste. 503
zeichnen, in einer dem Öffentlichen Interesse nicht zuträglichen Weise zur
Wirksamkeit gekommen. Anderer Seits haben sie nichts dazu beigetragen,
die wünschenswerthe Verbesserung herbeizuführen. Es tritt diess aber
namentlich in zwei Erscheinungen hervor.
Zunächst in der falschen activen und passiven Benützung der öffent-
lichen Rede, woran in erster Reihe die schlechte Einrichtung dieser gan-
zen Seite der Volksfeste die Schuld trägt. Bei der chaotischen Benützung
der Rednerbühne liefert gerade die fragliche Klasse von Theilnehmern
einen grossen Theil der verwirrten und verwirrenden Sprecher. Olıne ge-
nügende politische Bildung, ohne klares Verständniss der Mittel und Mög-
lichkeiten, curch Schlagworte beeinflusst, nur durch Eitelkeit zum Sprechen
veranlasst, tragen sie nach Kräften zu dem Durcheinander von Meinungs-
äusserungen und Erklärungen bei. Diess aber um so mehr, als sie wohl
auch nur durch die augenblickliche Aufregung des Festes und ohne be-
stimmten, zum Voraus überlegten Plan auf die Rednerbühne stürmen.
Es liegt die kläglichste Verkennung des eigenen Wesens und Könnens vor.
Weil sich Männer dieser Art, vielleicht mit Recht, in ihren geschäftlichen
und wirthschaftlichen Verhältnissen fühlen, erachten sie sich auch für be-
rufen, ein entscheidendes Urtheil in öffentlichen Dingen zu haben; und
anstatt bei solchen Gelegenheiten selbst noch zu lernen, richten sie in den
noch weniger hellen Köpfen der Menge selbst grössere Unklarheiten an.
Von dieser Schilderung ist denn namentlich auch die Mehrzahl der Advo-
caten nicht auszunehmen, welche so gerne ihre Uebung im Sprechen vor
grossen Versammlungen verwerthen, ohne dass ihnen eine gediegene poli-
tische Bildung einen Beruf dazu gäbe. Unzweifelhaft ist die unabhängige
Stellung der Advocaten eine sehr beachtenswerthe Eigenschaft im Öffent-
lichen Leben, und mag auch ihre formale Bildung, ibre Kenntniss vom
Rechte und von Geschäften, endlich ihre Gewohnheit, den von ihnen er-
griffenen Standpunkt mit Redegewandtheit und Benützung aller dienlicher
Gründe zu vertbeidigen, mit Nutzen verwendet werden; allein damit ist
noch nicht entfernt gesagt, dass sie auch nothwendig oder selbst nur regel-
mässig eine gesunde politische Ansicht haben und eine sichere Belehrung
spenden können. Im Gegentheile engt einseitiges und oft nur mässiges
Rechtsstudium den Blick ein, und gewöhnt seine Anwendung im bürgerlichen
Leben daran, die Entscheidung vorliegender Fragen auf einen bloss formellen
Satz zu gründen oder sie unter Gesichtspunkte zu stellen, welchen sie ganz
fremd sind. Man hat in den Parlamenten die Erfahrung gemacht (in Eng-
land gilt sie als ganz constant), dass die Advocatenlaufbabn nur selten
einem Manne die Fähigkeit giebt oder auch nur lässt, staatliche Fragen mit
freiem und grossem Blicke zu behandeln. Diese Bemerkung muss denn auch
von den Reden bei grossen Volksfesten gelten; und sie ist hier um so mehr