Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Volksfeste. 505 
standes nicht überraschende Erscheinung, dass der wirkliche Eintritt einer 
grösseren Einheit selbst da, wo jahrelang dieselbe unter Sang und Klang 
herbeigewünscht wurde, itzt von Denen, welche mit dem Becher in der 
Hand Gut und Blut dafür einzusetzen schwuren, tief beklagt und unter 
traurigem Hinblick auf die Fleischtöpfe des frübern Particularismus ver- 
wünscht wird. Man war sich eben nicht klar gewesen, welche Aenderungen 
in Interessen und Gewohnheiten eine solche nationale Gestaltung nothwendig 
mit sich bringen müsse, und ist nun höchst überrascht, dass die schönen 
Worte sich in harte Thatsachen übersetzen. Wenn dabei dann aber die 
früher bejubelten Redner itzt mit bitterem Grimme verfolgt werden, so ist 
diess theils nar natürlich, theils haben sie es in der That nicht besser ver- 
dient. Ihre hohlen, die Wirklichkeit gar nicht erkennenden und beachtenden 
Deklamätionen tragen in der That vielfach Schuld an den Enttäuschun- 
gen ; jedenfalls haben sie ihnen nicht entgegen gewirkt. 
Von grossem Werthe wäre es gewesen, wenn die Feste dazu beigetragen 
bätten, den höheren Bürgerstand in ein besseres Verhältniss zu den Arbeitern 
zu bringen, welche ihm immer feindlicher gegenübertreten. In dieser Be- 
ziehung ist aber gar nichts geschehen. Die Arbeiter als solche haben, so 
viel wir wissen, an den Volksfesten keinen Antbeil genommen; es ist auch 
kein Versuch gemacht worden sie herbeizuziehen. Somit hat auch keine 
Bemühung zur Ausgleichung und Annäherung stattfinden können. Diess ist 
nun aber zu beklagen. Was immer zu einer friedlichen Lösung dieser 
wichtigen und bei unrichtiger Behandlung so sehr gefahrvollen Frage dienen 
kann, sollte eifrig und rechtzeitig benützt werden. Einlcuchtend ist freilich, 
dass dabei mit grosser Vorsicht und Umsicht verfahren werden müsste, 
und wäre namentlich ein woll überlegter Gebrauch der öffentlichen An- 
sprachen und eine unerbittliche Ordnung des Rechtes zur Rede nothwendig 
gewesen. 
Sollen nach allem diesem die Volksfeste dazu beitragen, dem höheren 
Bürgerstande diejenige Eigenschaften zu geben, welche im Interesse eines 
gesunden Zustandes der Gesellschaft, und zwar keineswegs blos mit Hinsicht 
auf diese oder jene einzelne politische oder gesellschaftliche Frage, wün- 
schenswerth sind, so muss vor Allem auf eine richtige Ordnung in Betreff 
der Rednerbühne gesehen werden; mit andern Worten, es ist für eine 
Ueberlegung dessen, was gesprochen und vorgeschlagen werden soll, 
für eine verständige Würdigung der thatsächlichen Verhältnisse, für eine 
richtige Wahl der Redner und für eine Fernhaltung der blossen Schwätzer 
zu sorgen. Es bedarf einer wirklichen Belehrung und keiner ziellosen 
Declamation. Ob dann der höhere Bürgerstand auch seine üble schlaffe 
Auffassung der Verhältnisse und seine selbstzufriedene Gleichgültigkeit ver- 
bessern wird, ist zu erwarten. — Die übrigen Verbesserungen, namentlich
	        
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