Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 1. Grundbegriffe. 5 
der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergäbe, daß alle gesetzgebenden 
Faktoren die Lehrer nicht darunter begriffen hätten, denn eine dies- 
bezügliche ausdrückliche Gesetzesbestimmung in dem Gesetzentwurf sei 
ausdrücklich gestrichen, zumal der Justizminister während der Ver- 
handlungen auf dem Standpunkte gestanden habe, daß die Volks- 
schullehrer nicht als unmittelbare Staatsbeamte im Sinne des § 1 
des Entwurfes anzusehen wären. Vgl. insbesondere S. 24 ff. a. a. O.: 
„Die Volksschullehrer sind vielmehr unmittelbare Staatsbeamte. 
Dies ergibt sich aus folgendem. Für den heutigen Kulturstaat ist die Versor- 
gung der breiten Volksschichten mit Unterricht eine unbedingte Staatsnotwen- 
digkeit. Der Staat erkennt demgemäß für sich die Pflicht an, für allgemeine 
Volksschulbildung zu sorgen. Diese Pflicht erfüllt er dadurch, daß er auf die 
Errichtung der zu diesem Zweck erforderlichen Schulen hinwirkt, indem er den 
Gemeinden die gesetzliche Verpflichtung zu ihrer Errichtung auferlegt, ferner 
dadurch, daß er die erforderliche Zahl von Lehrern beruft und das ganze 
innere Leben der Schule, nämlich den Unterricht, den Lehrplan, die Methode, 
den Schulbesuch und die Schulzucht, regelt. Der Volksschullehrer erledigt also 
bei Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit Staatsgeschäfte, er übt eine Tätigkeit 
aus, die Staatsaufgabe ist. Das Wesen des Wirkens des Volksschullehrers 
ist die Erfüllung einer staatlichen Pflicht. Dazu kommt folgende Erwägung. 
Nach der richtigen Meinung gehört grundsätzlich ein Beamter dem Gemeinwesen 
an, von dem er angestellt wird. Der Anstellungsakt ist regelmäßig das für 
die Begründung des Beamtenverhältnisses Wesentliche. Nun finden sich aller- 
dings . einzelne Fälle, in denen Gemeindebeamte von staatlichen Organen 
ernannt werden. Derartige vereinzelte Ausnahmen rechtfertigen aber nicht 
ein Abgehen von dem Grundsatze, daß die Ernennung eines Beamten regel- 
mäßig einen wichtigen Anhalt für den Charakter seines Dienstverhältnisses 
abgibt und dafür entscheidend ist, in wessen Diensten er steht. Die Anstellung 
der Volksschullehrer in Preußen erfolgt nach §59 Abs. 5 S. 2°’des Ges. betr. 
die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen vom 28. Juli 1906 unmittelbar 
durch die Schulaufsichtsbehörde, also ein staatliches Organ. Durch diese An- 
stellung wird ein unmittelbares Dienstverhältnis des Lehrers gegenüber dem 
Staate begründet. Sind hiernach die Volksschullehrer in Preußen unmittel- 
bare Staatsbeamte, so sind sie doch unmittelbare Staatsbeamte ganz eigener, 
besonderer Art. Das Besondere ihrer Stellung gegenüber allen übrigen un- 
mittelbaren Staatsbeamten ergibt sich aus ihrer eigentümlichen Stellung zur 
Gemeinde. Das Eigentümliche ihrer Stellung erklärt sich aus der Entwicklung, 
die das Volksschulwesen in Preußen genommen hat. Diese Entwicklung geht 
von unten, von der Gemeinde, aus. Demgemäß hat der Staat bei der Rege- 
lung des Volksschulwesens die Erfüllung der von ihm auf diesem Gebiet als 
Staatsnotwendigkeit erkannten Pflicht nicht etwa zur vollständigen eigenen 
Durchführung in die Hand genommen, die Durchführung vielmehr in wesent- 
lichen Teilen in die Hand der Gemeinden gelegt und sie diesen zur Pflicht 
gemacht. Nicht der Staat errichtet die Schulen und stattet sie aus, sondern die 
Verpflichtung hierzu hat er den Gemeinden auferlegt. Nicht der Staat bringt, 
wie das bei der Bedeutsamkeit dieser Staatsaufgabe an sich natürlich und 
gegeben wäre, durch allgemeine Steuern die Mittel für die Volksschulen 
auf, sondern die Last der Errichtung und Unterhaltung der Schulen hat er 
grundsätzlich den Schulgemeinden als den unmittelbar Beteiligten auferlegt. 
Die Volksschule steht hierdurch in einer außerordentlich engen Beziehung zur 
Gemeinde, und in diese enge Beziehung tritt auch der an der Volksschule an-
	        
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