6 Allgemeiner Teil.
gestellte Lehrer ein, wenn er auch durch seine Tätigkeit eine reine Staatsauf-
gabe erfüllt und vom Staat angestellt wird. Hierin liegt das Besondere der
Stellung, des Volksschullehrers gegenüber allen übrigen unmittelbaren Staats-
eamten.“
Praktische Bedeutung hinsichtlich der Haftpflicht hat die
Frage für die preußischen Volksschullehrer, welche nach 859
Abs. 5 S. 2 des Gesetzes betr. die Unterhaltung der öffentlichen Volks-
schulen vom 28. Juli 1906 unmittelbar durch die Schulaufsichts-
behörde „für den Schulverband“ angestellt werden (was nach der
RGZ. 80 S. 338ff. nur die Bedeutung hat, daß dem Lehrer der Schul-
verband, d. h. alle dort befindlichen Schulen als örtlicher Wirkungs-
kreis mit Versetzungsmöglichkeit innerhalb des Verbandes zugewiesen
wird), nicht mehr, nachdem durch Nachtragsgesetz vom 14. Mai 1914
die Vorschriften der §§ 1 bis 3 des Gesetzes vom 1. August 1909 auf
die Lehrer und Lehrerinnen eines Schulverbandes Anwendung finden.
Hiernach haftet für Amtspflichtverletzungen der Lehrer und
Lehrerinnen eines Schulverbandes 1) der Staat. Das gleiche gilt
für die Lehrpersonen der Schulsozietäten sowie der sonstigen zur
Unterhaltung von öffentlichen Unterrichtsanstalten verpflichteten Ver-
bände und Stiftungen des öffentlichen Rechtes.
Wie steht es aber mit den Lehrern an den von der Gemeinde
unterhaltenen höheren Lehranstalten?
Auch sie müssen an sich als „unmittelbare Staatsbeamte“ an-
gesehen werden.
Nach RG. 84 S. 27—41 haben jedoch die Lehrpersonen an den
von der Gemeinde unterhaltenen höheren Lehranstalten den Charakter
mittelbarer Staatsbeamten im Sinne des § 4 des preuß. Gesetzes
vom 1. August 1909:
„Man hat die Lehrpersonen an den von den Gemeinden unterhaltenen
höheren Lehranstalten früher alsmittelbare Staatsbeamte bezeichnet. Dies
ist sowohl von denen geschehen, die sie für Gemeindebeamte erklären, als
auch von denen, die sie nicht für Gemeindebeamte halten. Zunächst ist der Be-
griff eines mittelbaren Staatsbeamten als solchen, der keines eigenen Gemein-ä
wesens unmittelbares Organ ist, juristisch unhaltbar. Denn es muß begrifflich
ein Gemeinwesen vorhanden sein, durch welches das Verhältnis des Beamten
zum Staate vermittelt wird. Die Lehrpersonen an den von den Gemeinden
unterhaltenen höheren Lehranstalten sind zwar mittelbare Staatsbeamte,
jedoch nicht im Sinne des §69 ALR. II 12, das vom Standpunkte des Polizei-
staats die Gemeinden nicht als selbständige Verwaltungskörper innerhalb des
Staates, sondern lediglich als Staatsanstalten, mithin auch ihre Tätigkeit als
Staatstätigkeit und ihre Beamten als Staatsbeamten ansah. Den Begriff des
mittelbaren Staatsbeamten im Sinne des Allgemeinen Landrechts gibt es bei
1) „Schulverband“ ist der gesetzliche Träger der Volksschullast. Als solche sind nach dem
Gesetz betr. die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen vom 28. Juli 1906 die bürgerlichen
Gemeinden und Gutsbezirke (eigene Schulverbände) oder eine Vereinigung mehrerer Gemein-
den ober Gutsbezirke (Gesamtschulverbände) berufen. Vgl. hierüber Anschütz, Verf. Urk. 1
S. 476 II.