§ 16. Schulwesen, Schule und Polizei. 199
anstaltungen beschränken wolle. Es wahrt ausdrücklich das Recht der Eltern
gemäß der ihnen in Teil II Titel 2 übertragenen Erziehungsgewalt, den
Unterricht und die Erziehung der Kinder in ihren Häusern besorgen zu
lassen Der Staat enthält sich zwar der Einmischung in dieses aus dem
Verhältnis der Eltern zu den Kindern auch hergeleitete Recht, fordert aber zum
Ausgleich dafür, um auch hier eine Staatsaufsicht zu begründen, von den
Privatlehrern, die aus der Erteilung von Lehrstunden in den Häusern ein
Gewerbe machen, einen Nachweis ihrer Befähigung. Dies ist der Sinn
der Vorschriften in 887 und 8, die keine weitere Unterscheidung enthalten.
Das Recht der Eltern und ebenso das zum Ausgleich dafür dienende
Prüfungsrecht des Staates erstreckt sich sowohl auf schulpflichtige als auch
auf nicht schulpflichtige Kinder. An einer späteren Stelle, wo in dem Ab-
schnitt von gemeinen Schulen die Schulpflicht erörtert wird, ist wiederum
jenes Recht der Eltern in den Vordergrund gestellt. Der 8§ 43 bestimmt
nämlich: „Jeder Einwohner, welcher den nötigen Unterricht für seine Kinder
in seinem Hause nicht besorgen kann oder will, ist schuldig, dieselben nach
zurückgelegtem fünften Jahre zur Schule zu schicken.“ Diese Vorschrift
knüpft an § 7 an und verordnet den Schulzwang nur für den Fall, daß
die Eltern von ihrem Rechte zur Besorgung des Unterrichts im Hause
keinen Gebrauch machen. Der „nötige Unterricht“ in 8 43 ist aber enger um-
grenzt als „der Unterricht“ im Sinne des §7. Er bezeichnet das gesetzlich
vorgeschriebene Mindestmaß desjenigen, was jedem Kinde innerhalb eines
gewissen Alters an Unterricht zu gewähren ist, und deckt sich mit dem lehr-
planmäßigen Unterricht in den gemeinen Schulen. In 87 und dem damit
in Zusammenhang stehenden § 8 wird diese Schranke nicht gezogen. Das
Erfordernis des Befähigungsnachweises greift über den Rahmen des öffent-
lichen Schulunterrichts hinaus und gilt für sämtliche Lehrgegenstände. Ob
durch die Gewerbeordnung und die durch sie eingeführte Gewerbefreiheit
das staatliche Aufsichtsrecht auf den Privatunterricht in denjenigen Lehr-
fächern eingeschränkt worden ist, die zu dem nach § 6 GewO. aus dem Gebiete
TDher Gewerbe-Ordnung ausgeschiedenen Unterrichtswesen gehören, braucht hier
nicht erörtert zu werden.
Bei schulpflichtigen Kindern kann die Art und Weise der häuslichen
Unterrichtserteilung der Schulbehörde einen Anlaß zur Prüfung bieten bei
der Entscheidung der Frage, ob der häusliche Unterricht geeignet ist, die Kinder
von dem Besuche der gemeinen Schule, jetzt der Volksschule, zu befreien.
Dieses Prüfungsrecht hat, wiewohl hierbei selbstverständlich auch die Eigen-
schaften der Lehrer in Betracht zu ziehen sind, mit dem in § 8 II 12 A#LR. für
den häuslichen Privatunterricht allgemein festgesetzten Erfordernis des Be-
fähigungsnachweises der Lehrer nichts zu tun.
Aus diesen Betrachtungen folgt:
Das Landrecht, das einen unbedingten Schulzwang selbst für das
schulpflichtige Alter nicht kennt, stellt den Eltern verschiedene Bildungswege
für den Unterricht ihrer Kinder zur Verfügung, die nebeneinander herlaufen,
ohne unter sich im Verhältnis von Haupt= und Nebenweg zu stehen. Die
Anwendbarkeit des § 8 kann sich auf den Privatunterricht, der zum Ersatze
des Schulunterrichts dient, um so weniger beschränken, als auch der über
den Lehrplan der öffentlichen Schulen hinausgehende Privatunterricht von
der Vorschrift umfaßt wird. Auch der Privatunterricht nicht mehr schul-
pflichtiger Kinder fällt, soweit diese zur Jugend gehören, unbeschränkt unter di-
Vorschrift, da innerhalb ihres Anwendungsgebietks eine Unterscheidung
zwischen schulpflichtigen und nicht schulpflichtigen Kindern nicht angängig ist.