Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

220 Besonderer Teil. 
Ziel beginnt die Versammlung als solche, ohne daß es hierzu erst 
einer förmlichen Eröffnung und Konstituierung bedarf (OVG. 61 
S. 240). 
Künstlerische, wissenschaftliche und gesellige Vereinigungen sind 
also keine „Versammlungen“, auch nicht Lustbarkeiten. Vor- 
träge mit Lichtbildern können „Versammlungen“ sein, wenn sie 
in einer Art gehalten werden, die auf eine Erörterung und Beratung 
der in ihnen behandelten Angelegenheiten hinauskommen. Keine 
Versammlung liegt dagegen vor, wenn der Vortrag lediglich dazu. 
dient, nebenher und nebensächlicherweise einige, die Lichtbilder lose 
verknüpfende Bemerkungen oder Erläuterungen zu liefern oder wenn 
der Vortrag nach der Absicht des Veranstalters bloß den Deckmantel 
für eine politische Versammlung (8 5) oder für eine öffentliche Lust- 
barkeit gibt. (Vgl. die Entscheidung Pr VerwBl. 32 S. 659). 
Das Vereinsgesetz beschränkt aber nur öffentliche Versamm- 
lungen (85). 
Zu 81 Abs. 2. 
Die Polizei kann also auch aus sicherheitspolizeilichen 
Gründen (Feuersgefahr, ungenügende Anzahl von Ausgängen usw.) 
eine Versammlung schließen, aber nur bei „unmittelbarer Gefahr für 
Leben und Gesundheit der Teilnehmer“. Erhebliche Einschränkung 
von § 10 II 17 ALR.! 
„Dadurch (d. h. durch §1 Abs. 2 VG.) hat der § 10 Tit. 17 Teil 2 ALK. 
lür das Vereins= und Versammlungsrecht eine erhebliche Einschränkung er- 
sahren, da hiernach eine Beschränkung des reichsgesetzlich gewährten Vereins- 
und Versammlungsrechts auf Grund bau-, feuer-, verkehrspolizeilicher usw. 
Bestimmungen des Landesrechts nur insoweit zulässig ist, als es sich um 
Durchführung sicherheitspolizeilicher Maßnahmen zur Verhütung unmittel- 
barer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer an einer Ver- 
sammlung handelt ... Diese Einschränkung der Anwendung der allgemeinen 
sicherheitspolizeilichen Bestimmungen des Landesrechts gegenüber der Aus- 
übung des Versammlungsrechts trifft nicht bloß dann zu, wenn es sich um 
eine einzelne bestimmte Versammlung handelt, sondern auch dann, wenn das 
polizeiliche Einschreiten eine Mehrheit künftiger Versammlungen zum Gegen- 
stande hat, und insbesondere auch, wenn ihnen die Polizei durch Verbot der 
Benutzung eines bestimmten Raumes zu Versammlungszwecken entgegentritt.“ 
(O. 63 S. 263). 
Gilt die allgemeine Polizeistunde für Schanklokale auch für da- 
selbst stattfindende öffentliche Versammlungen? Dies ist streitig. O G. 
32 S. 392 und Delius, DJZ. 1911 S. 807 bejahen die Frage mit 
der Begründung, daß die allgemeinen Befugnisse der Polizei nicht 
vereinsrechtlicher Natur nicht deshalb außer Kraft treten, weil sich 
die davon betroffenen Personen gerade in Ausübung des Vereins- 
und Versammlungsrechtes befinden. Verneinend Romen, Vereins- 
gesetz (1912) S. 35, weil die Vorschriften über die Polizeistunde mate-
	        
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