§ 19. Das Vereinsrechl. 221
riell auf Landesrecht beruhen, da § 365 St GB. nur ein for-
melles Reichsblankettgesetz ist. Landesrecht dürfe aber das Reichs-
vereinsrecht nicht einschränken. (Ebenso Stier-Somlo, DJ. 1911
S. 689, OLG. Hamm, DJ3z. 1911 S. 768, Anschütz ebenda S. 864).
Polizeiverordnungen, welche das Tragen roter Fahnen auf der Straße
usw. verbieten, sind weiterhin gültig, weil das Tragen von Fahnen
nur eine Begleiterscheinung in Ausübung des Versammlungsrechtes
ist, ungültig aber Polizeiverordnnungen, die das Tragen roter Fahnen
bei Beerdigungen oder das Tragen roter Schleifen an Begräbnis-
kränzen oder das Halten von Laienreden verbieten, weil all dieses
jetzt unter §9 II des Gesetzes fällt und das Leichenbegängnis zum
„ungewöhnlichen“ macht.
Zu §3.
Die „politischen Angelegenheiten“ sind eine Unterart der öf-
fentlichen, es sind solche, die unmittelbar den Staat, seine Gesetz-
gebung und Verwaltung berühren. (R. Strafs. 22 S. 340; 16 S. 383;
44 S. 426). Auch so zi alpolitische Angelegenheiten gehören dazu, wenn
der Vereinszweck dahin geht, die Vereinsinteressen durch gesetzgebe-
rische Maßregeln zu fördern (RG. Strafs. 16 S. 385).
Turnvereine werden dann politische Vereine, wenn sie über
ihren Zweck hinaus nebenbei politisch agitieren oder unter dem Deck-
mantel des Turnens Politik treiben (RG. Straff. 38 S. 337). Auch
Feuerbestattungsvereine sind politische Vereine.
Die Polizei kann die Vorsteher politischer Vereine auf Grund des
8§8132 LVG. durch Androhung von Geldstrafen anhalten, die Satzung
und das Mitgliederverzeichnis des Vorstandes gemäß 8§ 3 Abs. 2 bis 4
RVG. einzureichen. Dies verstößt nicht gegen den Grundsatz „ne bis
in idem “'1).
„Die Vorschrift in § 3 Abs. 2 bis 4 des RVG. verfolgt den Zweck, der
Polizeibehörde von dem Bestehen, der inneren Einrichtung und den Zwecken
der politischen Vereine sowie der Person ihrer Vorstandsmitglieder Kenntnis
zu geben und sie dadurch in den Stand zu setzen, ihrer Aufgabe, die im öffent-
lichen Interesse nötige Kontrolle und Überwachung dieser Vereine auszuüben,
gerecht zu werden. Dieser Zweck würde vereitelt werden, wenn nach Ablauf
der in §3 bestimmten zweiwöchigen Frist nur noch gerichtliche Bestrafung
aus § 18 eintreten, dagegen die Weigerung des Vorstandes, seine gesetzliche
Verpflichtung zu erfüllen, fortbestehen bleiben könnte. Vielmehr ist es Auf-
gabe der Polizeibehörde, dieser fortgesetzten, ungesetzlichen Weigerung ent-
gegenzutreten und sie nötigenfalls durch polizeilichen Zwang zu brechen.
Dies widerspricht auch nicht dem Grundsatze „#ne bis in idem“, der nur dann
anwendbar ist, wenn die gesetzliche Vorschrift, welche durch Strafandrohung
geschützt ist, und die einzelne polizeiliche Anordnung, um deren zwangsweise
Durchsetzung es sich handelt, sich nach ihrem Inhalt und Gegenstande voll-
ständig decken. Dies trifft aber im vorliegenden Falle nicht zu. Die Straf-
1) Vgl. hierzu 8 4 VI.