226 Besonderer Teil.
Durch 87 des RVG. ist bestimmt worden, daß Aufzüge auf öffentlichen
Straßen oder Plätzen der polizeilichen Genehmigung bedürfen, und daß diese
Genehmigung nur dann versagt werden darf, wenn aus der Veranstaltung des
Aufzugs Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten ist. Damit ist
ausgesprochen, daß die Veranstaltung des Aufzugs, also die Zulassung
zu der im Aufzug enthaltenen Benutzungsart der öffentlichen Straßen, von
keinen anderen als sicherheitspolizeilichen Erwägungen abhängig gemacht
werden darf. Wird die Genehmigung erteilt, so ist damit zu erkennen gegeben,
daß dem einzelnen Aufzuge, d. i. der durch ihn geplanten Benutzung be—
stimmter Straßen innerhalb bestimmter Zeit, Hindernisse in dem geltenden
öffentlichen Rechte nicht entgegenstehen. Keineswegs ist aber durch den
87 a. a. O. den Teilnehmern eines genehmigten Aufzugs eine Ausnahme—
stellung gegenüber dem Gesetze gegeben; vielmehr bestehen für sie die Schranken
der allgemeinen Rechtsordnung unverändert weiter; sie bleiben daher auch den
gesetzlichen und polizeilichen Bestimmungen, welche durch die öffentliche Ord-
nung auf den Straßen und durch die Ordnung, Leichtigkeit und Sicherheit
des Verkehrs auf ihnen bedingt werden, ebenso unterworfen wie das übrige
nicht im Aufzuge vereinigte Publikum. Nur insoweit nehmen die Teilnehmer
des Aufzugs eine Ausnahmestellung ein, als ihnen die Benutzung der Straße
in der Form einer geschlossenen Menschenmenge gestattet ist und nur aus
Gründen der öffentlichen Sicherheit verboten werden kann. Soweit dieses
Recht nicht beeinträchtigt wird, unterliegen dagegen die Teilnehmer an einem
Aufzuge denjenigen Beschränkungen, welche durch die Forderungen der öffent-
lichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, insbesondere auch durch die Forde-
rungen der Ordnung und Leichtigkeit des Verkehrs geboten sind. Falls daher
nach dem geltenden örtlichen Rechte, beispielsweise durch Polizeiverordnung,
das Fahren auf dem Bürgersteig oder auf der in der Fahrrichtung linken
Seite des Fahrdammes verboten ist, so gilt dieses Verbot auch für einen mit
Wagen veranstalteten Aufzug. Falls die Teilnehmer am Aufzug in sittlich
anstößiger oder Ärgernis erregender Weise (Masken) erscheinen, so kann die
Polizeibehörde zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit ein-
schreiten: denn dieses Einschreiten richtet sich nur gegen das ordnungswidrige
Erscheinen der Teilnehmer am Zuge in der Offentlichkeit, nicht gegen die Ver-
anstaltung des Zuges an sich. Auf dem gleichen Boden bewegt sich die Frage,
ob das Mitführen von roten Fahnen oder sonstigen Abzeichen, welche die
öffentliche Ordnung zu stören geeignet sind, in einem genehmigten Aufzug
untersagt werden kann; denn das Tragen dieser Abzeichen ist nicht ein Be-
standteil oder Begriffsmerkmal des Aufzugs, sondern nur eine Begleit-
erscheinung bei der Ausübung des Rechtes, sich in geschlossener Menge über
öffentliche Straßen oder Plätze fortzubewmegen.
Dem stehen auch nicht die Bestimmungen in §1 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2
des RVG. entgegen, selbst wenn, was hier unerörtert bleiben kann, davon
ausgegangen wird, daß das Recht der Veranstaltung öffentlicher Aufzüge dem
Vereins= und Versammlungsrecht überall gleichzustellen und ein öffentlicher
Aufzug als eine öffentliche Versammlung i. S. des RVG. anzusehen ist.
Wie in 81 Abs. 1 S. 1 des RVG. der Grundsatz der Vereins= und Ver-
sammlungsfreiheit aufgestellt ist, so bezieht sich auch die Vorschrift des Satzes 2
im Abs. 1 und des Abs. 2 nur auf solche polizeiliche Maßnahmen, die eine
Beschränkung dieser Vereins= und Versammlungsfreiheit bezwecken oder mit
sich bringen. Der einzelne aber erhält dadurch, daß er von seinem Vereins-
und Versammlungsrechte Gebrauch macht, keine Ausnahmestellung gegenüber
dem Gesetz und kein Vorrecht, die allgemeine Rechtsordnung zu durchbrechen.
Daher können auch die allgemeinen Befugnisse der Polizei, die nicht.