Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

258 Besonderer Teil. 
zulässige Schilder am Hause, die nach §147 Ziff. 3 GewO. strafbar 
sind, kann sie aber im Verwaltungszwang vorgehen. Solche Schilder 
sind nicht als „Plakate“ anzusehen! 
Die Polizeiverordnung des Polizeipräsidenten von Berlin vom 
1. August 1912 verbietet die öffentliche Ankündigung oder Anpreisung 
von Arzneimitteln, deren Verkauf gesetzlich beschränkt ist (vgl. Kais. 
Verordnung v. 22. Oktober 1901 und 31. März 1911). Das Kammer- 
gericht hat diese Verordnung durch Urteil vom 6. Oktober 1913 (Akten- 
zeichen 1 S. 740. 13) mit folgender Begründung für ungültig erklärt: 
„Dei Senat ist der Ansicht des Verteidigers, daß diese Ankündigungs- 
verbote gegen Reichsrecht verstoßen, nicht beigetreten. Sie verletzen zu- 
nächst — wie mit der größten Mehrzahl der deutschen Oberlandesgerichte 
anzunehmen ist — nicht das Reichspreßgesetz, weil sie sich nicht gegen die 
Presse als solche richten, sondern jede öffentliche Ankündigung, 
also z. B. auch solche durch Ausrufen oder öffentliches Auslegen handschrift- 
licher Anpreisungen verbieten. (Vgl. v. Schwarze-Appelius, Reichs- 
preßgesetz 4. Aufl. S. 6). Die Verbote verstoßen auch nicht gegen die Ge- 
werbe-Ordnung; denn dieses regelt die Frage der Ankündigung von Arznei- 
mitteln überhaupt nicht. Der §6 Abs. 2 und die auf Grund dieser Ermäch- 
tigung erlassenen Kais. Verordnungen grenzen nur die Berechtigung der 
Apotheken zum Arzneimittelvertrieb gegen diejenigen der übrigen Arznei- 
mittelhändler ab, enthalten aber keine Vorschrift über den Inhalt und die 
Tragweite dieser Verkaufsberechtigungen, insbesondere nichts darüber, ob in 
der Befugnis zum Verkauf auch die Berechtigung zur Ankündigung enthalten 
sein soll. Nach §6 Abs. 1 Satz 2 aber findet die R.-Gewerbe-Ordnung auf 
den Verkauf von Arzneimitteln nur insofern Anwendung, als sie darüber 
ausdrückliche Bestimmungen enthält. Da dies bezüglich des Inhalts der 
Verkaufsbefugnis nicht der Fall ist, so greift hier das Landesrecht Platz. In 
dieser Beziehung kommen für Preußen die §8 6a und k und 12 des Polizei- 
verw.-Gesetzes vom 11. März 1850, wonach zu den Gegenständen des orts- 
und landespolizeilichen Verordnungsrechts der Schutz der Personen und des 
Eigentums und die Sorge für Leben und Gesundheit gehört, in Verbindung 
mit § 10 II17 ALR. in Frage. Zunächst muß 8§ Ca, soweit er den Schutz 
des Eigentums betrifft, hier ausscheiden. Denn wollte man selbst hier unter 
dem Begriff „Eigentum“ das Vermögen mit begreifen und den Polizei- 
behörden die Befugnis zuerkennen, etwa zum Schutze des Vermögens gegen 
Benachteiligung durch Ankauf möglicherweise schwindelhafter Mittel, Vor- 
schriften zu erlassen, so müßte sie auch das Recht haben, jede Art möglicher- 
weise schwindelhafter Ankündigungen von Waren zu verbieten, was ausge- 
schlossen erscheint. Aus diesem Grunde kann namentlich auch das Ankün- 
digungsverbot, soweit es sich auch auf Tierheilmittel bezieht, im Gegensatz 
zu der bisherigen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 9. Oktober 1911 
— §. 834. 11 — Med. Arch. 2 S. 539 ff.) nicht für rechtsgültig erachtet 
werden. 
§ 6a kommt also hier nur insofern in Frage, als er den „Schutz der 
Personen“ betrifft; dieser Gesichtspunkt deckt sich hier mit §6kf „Sorge für 
Leben und Gesundheit.“ Das Kammergericht hat bisher diese Bestimmung 
in Verbindung mit § 10 II 17 ALR. hier aus folgenden Gründen für an- 
wendbar erachtet. Wenn Arzneimittel öffentlich angekündigt werden, so 
bestehe die Gefahr, daß das Publikum, durch die Ankündigung verleitet, die
	        
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