Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 20. Gewerbe und Polizei. 259 
Mittel kauft und verwendet und dadurch entweder unmittelbar geschädigt wird 
oder den richtigen Zeitpunkt zur Befragung eines Arztes versäumt. Bei noch- 
maliger Prüfung hat der Senat diese Ansicht nicht aufrecht erhalten können. 
Es handelt sich hier um Verordnungen, welche die Ausübung des Ge- 
werbebetriebes in außerordentlich weitgehendem Maße beschränken. Dem 
Apotheker wird die Ankündigung des größten Teiles seiner Waren und zwar 
gerade derjenigen, zu deren Verkauf er ausschließlich berechtigt ist, untersagt, 
nicht nur die Anzeige in der Zeitung, sondern auch die durch Plakate in 
seinem Schaufenster oder Laden. Den Herstellern neuer Monopolmittel, ins- 
besondere der pharmazeutischen Großindustrie, wird verboten, dem Publikum 
mitzuteilen, daß ein neues Mittel in Apotheken zu haben ist, während doch das 
Publikum berechtigt ist, diese Mittel — sofern es nicht unter Rezepturzwang 
steht — jederzeit in der Apotheke zu kaufen. Diese Industrie wird dadurch in 
hohem Maße geschädigt, das Aufkommen neuer ärztlicher Mittel erschwert. 
Nicht nur die Ankündigung im Anzeigeteil ist untersagt, sondern auch die 
empfehlende Besprechung im redaktionellen Teil, mindestens der Tages- 
zeitung, ob auch in Fachzeitschriften, kann hier dahingestellt bleiben. 
Dazu kommt, daß die Abgrenzung der verbotenen von den erlaubten An- 
kündigungen hier nicht gemäß den oben erwähnten Gesichtspunkten ge- 
troffen ist, welche nach der bisherigen Rechtsprechung die Vorschrift recht- 
fertigen. Denn es wird auch die Anzeige der harmlosesten Mittel gegen 
geringe krankhafte Störungen verboten, sofern diese Mittel unter Verzeichnis A 
zur Kais. Verordnung von 1901 fallen; dagegen wird die Ankündigung auch 
bedenklicher und unter Umständen gefährlicher Mittel erlaubt, sofern diese 
durch eine freigegebene Zubereitungsweise, z. B. einen chemischen Prozeß 
oder Destillation, oder in einer nicht vorbehaltenen Form, z. B. als Bonbons, 
hergestellt sind. 
Diese Gesichtspunkte können allerdings nach § 17 des Polizeiverwaltungs- 
Gesetzes für sich allein betrachtet nicht dazu führen, die Vorschriften für un- 
gültig zu erklären; sie geben aber Veranlassung, besonders eingehend die Frage 
zu prüfen, ob die Möglichkeiten, welchen jene Verordnungen vorbeugen sollen, 
wirklich eine Gefahr i. S. des § 10 II 17 ALR. darstellen. Gefahr in diesem 
Sinne ist die nahe, auf Tatsachen beruhende Wahrscheinlichkeit einer Schä- 
digung (vgl. Lindemann, Gesetzgebung über Polizeiverordnungen 2. Aufl. 
S. 51 und die dort angeführten Urteile des OVG. und des KG.). Nun ist 
anzuerkennen, daß in vereinzelten Fällen eine Schädigung der Gesundheit 
der Käufer durch derartige Anzeigen verursacht werden kann. Der Senat 
ist aber bei nochmaliger Prüfung, bei der die Lage der zahlreichen in den 
letzten Jahren abgeurteilten Fälle berücksichtigt worden ist, zu der Uber- 
zeugung gelangt, daß hier bei diesen Ankündigungen von einer Gefahr im 
allgemeinen nicht gesprochen werden kann; nur eine solche aber könnte ein 
allgemeines Verbot rechtfertigen. In den weitaus meisten Fällen werden 
harmlose Mittel gegen harmlose Affektionen angekündigt, die nur in einer 
Minderzahl von Fällen Symptome schwerer Erkrankungen sind, gegen Korf- 
und Magenschmerzen, Husten, Heiserkeit und Schnupfen, Durchfall oder 
Verstopfung, ferner Pflaster und Salben gegen Verletzungen und leichte Haut- 
affektionen. In allen diesen Fällen kann eine Gefahr der erwähnten Art 
durch die Anzeigen schon deshalb nicht in Frage kommen, weil das Publikum, 
auch wenn es solche Ankündigungen nicht liest, bei derartigen Affektionen 
Arzte nicht zuzuziehen pflegt. 
Diese Ausführungen stehen der Annahme einer Gefahr bei Ankün- 
digungen bestimmter Art, insbesondere bei reklamehaften Anpreisungen 
von Heilmitteln gegen Krankheiten und bei Ankündigung von schädlichen 
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