Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 20. Gewerbe und Polizei. 267 
baren Vorschrift des Reichsrechts fehlt, ist . die Rechtsquelle für die zu 
treffende Entscheidung im Landesrechte zu suchen. Im Gegensatz zum Baye- 
rischen Obersten Landesgerichte (Reger, a. a. O. Bd. 14 S. 123; ebenso 
Seydel, Bayer. Staatsrecht Bd. 3 S. 405 Anm. 17), das den Staat für 
den Ersatzpflichtigen erachtet, da dieser berufen sei, das öffentliche Interesse zu 
wahren, und für eine Ersatzpflicht der Gemeinde die gesetzliche Grundlage 
fehle, hat die oberste richterliche Rechtsprechung Preußens für das preußische 
Rechtsgebiet in wiederholten Entscheidungen den Standpunkt vertreten, daß 
der Staat ersatzpflichtig ist, wenn die Untersagung des Betriebes im Staats- 
interesse, also aus landespolizeilichen Gesichtspunkten erfolgte, dagegen die 
Kommunalverbände, insbesondere die Gemeinden, wenn das örtliche Interesse 
die Untersagung erforderte. Daß die Untersagung von einer höheren staat- 
lichen Behörde ausgesprochen wird, wurde für gleichgültig erachtet, da 
hierdurch nur eine allseitige und gründliche Prüfung der Notwendigkeit des 
Eingriffs gewährleistet werden soll. Die gleiche Unterscheidung wird nach preu- 
ßischem Rechte auch gemacht für andere ähnliche aus Gründen des Gemein- 
wohls erfolgte Eingriffe der staatlichen Behörden und die daraus sich ergebende 
Schadensersatzpflict 
Die grundsätzliche Gesetzesvorschrift für die Entscheidung der Frage ist 
nicht sowohl in § 75 der Einl. zum ALR. zu suchen, der die erwähnte Unter- 
scheidung gar nicht enthält, sondern nur vom Staate spricht; diese Bestimmung 
würde nur heranzuziehen sein, wenn es sich darum handelte, eine gesetzliche 
Grundlage für die Entschädigungspflicht überhaupt zu suchen, die aber für 
den behördlichen Eingriff in den Gewerbebetrieb nach § 51 GewO. durch dieses 
Gesetz selbst festgesetzt ist. Jene Unterscheidung ist vielmehr in den Einrich- 
tungen der Polizeiverwaltung und Polizeihandhabung in Preußen begründet. 
Daß die Untersagung des Gewerbebetriebes nach Maßgabe des §51 GewO. in 
das Gebiet der polizeilichen Maßnahmen fällt, ergibt sich aus ihrem 
Charakter; sie erfolgt, wenn überwiegende Nachteile und Gefahren für das Ge- 
meinwohl sich ergeben. Das Gemeinwohl kann nur das der örtlichen Gemein- 
schaft sein, das Gemeindeinteresse, oder das des Staatsganzen, das Landes- 
interesse. Daß die Gemeinde die sachlichen Kosten örtlicher Polizeimaßnahmen 
zu tragen habe, ist in § 3 des preuß. Polizeiverwaltungsgesetzes gesetzlich be- 
stimmt; dabei ist es auch nach dem Gesetze, betr. die Kosten königlicher Polizei- 
verwaltungen in Stadtgemeinden, vom 20. April 1892 (GS. S. 87)1) ver- 
blieben, das nur die Kosten der Polizeiverwaltung im engeren Sinne, die 
sog. unmittelbaren Polizeikosten, auf den Staat übertragen hat .. Es ist 
deshalb durchaus richtig, wenn der Schadensersatz, der aus der polizeilichen 
Maßnahme des § 51 GewO. zu leisten ist, im gegebenen Falle der Stadtge- 
meinde B. auferlegt wird, insoweit das ortspolizeiliche Interesse, die Sicher- 
heit der Ortsbewohner und ihres Eigentums in Frage kommt, dem Staate 
aber, insoweit das landespolizeiliche Interesse maßgebend war und durch 
stellt wurde — zu den bisherigen Zwecken wegen überwiegender Nachteile und Ge- 
fahren für das Gemeinwohl verboten. Die Klägerin verlangte nun sowohl vom 
preußischen Landesfiskus wie von der Stadtgemeinde als Gesamtschuldner Ersatz 
deas ihr entstandenen Schadens. Das Langdgericht erklärte den Klageanspruch gegen 
beide Beklagte bei gesamtschuldnerischer Haftung als dem Grunde nach für gerecht- 
fertigt. Die Berufungen und Revisionen der Beklagten wurden zurückgewiesen. 
Das R. geht davon aus, daß die Voraussetzungen des §51 GewO. vorliegen, 
da die Klägerin nicht nur in ihrem Betriebe beschränkt worden sei, sondern tatsächlich 
der Gesamtbetrieb an der gewählten Stelle durch das Verbot unmöglich gemacht sei. 
1) Jetzt Gesetz v. 3. Juni 1908 (GS. S. 149 ff.). 
  
 
	        
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