Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 21. Baurecht. 281 
Zustand die Sicherheit, Ordnung und Leichtigkeit des Verkehrs auf der öffent- 
lichen Straße hindert, bedarf keiner weiteren Erörterung. Ist dies aber der 
Fall, so ist die Polizeibehörde auch auf Grund des § 6 des PVG. vom 
10. März 1850 und des § 10 II17 sowie nach § 80 Tit. 8 T. 1 AdR. befugt, 
von dem Kläger Einrichtungen zu verlangen, welche einen ordnungsmäßigen 
Gebrauch des Bürgersteiges ermöglichen. Der Kläger irrt, wenn er glaubt, 
daß er deshalb, weil die Polizeibehörde den bisherigen Zustand längere Zeit 
geduldet hat, ein Recht auf den Fortbestand desselben erworben habe. 
Wenn die Polizeibehörde einem Untertan gegenüber von ihrer Befugnis 
auch durch längere Zeit hindurch keinen Gebrauch macht, so geht hierdurch 
diese Befugnis nicht verloren und der Untertan kann der Behörde gegenüber 
dadurch kein Recht auf weiteren Nichtgebrauch der Befugnis erwerben. So- 
lange deshalb der Kläger durch seine Einrichtung des Dachabfallrohres das 
Regenwasser auf das Trottoir leitet, ist die P.-V. befugt, die dem Zwecke 
allein entsprechende Verlängerung dieser Ableitung in der vorgeschriebenen 
Weise bis zum Straßenrinnstein von ihm zu verlangen. Es versteht sich von 
selbst, daß die Anforderung sofort gegenstandslos wird, sobald es dem 
Kläger gelingt, das Regenwasser auf eine andere mit den öffentlichen In- 
teressen vereinbare Weise so abzuführen, daß es mit der öffentlichen Straße 
überhaupt nicht mehr in Berührung kommt. Solange aber die Dachabfall- 
rohre in der gegenwärtigen Verfassung bestehen, ist die Beklagte zu ihrer An- 
ordnung wohl befugt.“ 
Darüber, daß sich ortsrechtlich unter Zustimmung der Rechts- 
beteiligten (Wegepolizeibehörde, Wegeunterhaltungspflichtiger, Wege- 
eigentümer) die Befugnis der Anlieger bilden kann, die Hauswässer 
in die Straßenrinnsteine abzuleiten, führt das OVG. 61 S. 397 ff. aus: 
„Nach ständiger Rechtsprechung des OG. sind Straßengräben und 
Rinnsteine in der Regel nur zur Entwässerung der Straße und nicht dazu. 
bestimmt, zur Aufnahme der Abwässer der anliegenden Grundstücke zu dienen, 
ohne Rücksicht darauf, ob es sich dabei um Gebrauchswasser oder Nieder- 
schlagswasser handelt (vgl. Germershausen, Wegerecht, 3. Aufl., Bd. 1 
S. 60, 787 ff. und die daselbst angezogene Rechtsprechung; Pr VerwBl. Jahr- 
gang 26 S. 468, Jahrg. 28 S. 162). Soweit diese Regel Platz greift, kann die 
Polizei zwar die Benutzung der Straßenrinnsteine zur Entwässerung der 
anliegenden Grundstücke gestatten oder dulden, aber dadurch wird für die 
Anlieger ein Recht auf diese Benutzung nicht begründet. Durch die Ge- 
stattung oder Duldung begibt sich die Polizei nicht des Rechtes, dagegen ein- 
zuschreiten, und zwar kann dies Einschreiten bis zur Untersagung jeder 
Wasserzuführung erstreckt werden ohne Rücksicht darauf, ob diese gesund- 
heitsgefährlich oder auch nur belästigend ist (uvgl. Urt. vom 14. März 1907, 
Entsch des OG. Bd. 50 S. 285 Anm.). Indem die Polizei der Ein- 
führung von Abwässern aus den anliegenden Grundstücken in den Straßen- 
rinnstein entgegentritt, wahrt sie nur die öffentlich-rechtliche Bestimmung der 
Wegeentwässerungsanlagen (Urt. vom 12. Jan. 1905, Pr Verwl. Jahrg. 26 
S. 468). · 
Der Gerichtshof hat aber in seiner Rechtsprechung nicht minder ständig 
anerkannt, daß jene Regel mit den daraus abgeleiteten Folgerungen Aus- 
nahmen erleidet, und zwar dann, wenn die Benutzung der Straßenrinnsteine 
zur Entwässerung der anliegenden Grundstücke einer auch für die Polizei 
verbindlichen ortsrechtlichen Ordnung entspricht (vol. Urt. vom 14. Nov. 
1894 und 3. Nov. 1902, Entsch. des OG. Bd. 27 S. 387 ff.; Pr VerwBl.
	        
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