§ 21. Baurecht. 283
„Nach der in Betracht kommenden Baupolizeiordnung ist jeder Grund-
besitzer verpflichtet, für die Entwässerung seines Grundstücks und der auf
ihm befindlichen oder zu errichtenden Gebäude nach Maßgabe der ortspolizei-
lichen Vorschriften Sorge zu tragen. Selbst wenn man der Klägerin darin
beipflichten wollte, daß diese Bestimmung allgemeine polizeiliche Vorschriften
voraussetze, so würde aus dem Fehlen derartiger Vorschriften keineswegs
folgen, daß die Klägerin nunmehr die Entwässerung ihres Grundstücks in
keder ihr genehmen Art und Weise besorgen dürfe. Beim Fehlen allgemeiner
volizeilicher Vorschriften muß vielmehr der im öffentlichen Rechte begründete
Grundsatz zur Anwendung gelangen, daß jeder Grundstückseigentümer ver-
pflichtet ist, sein Grundstück in einem solchen Zustande zu erhalten, oder in
einen solchen Zustand zu versetzen, daß polizeilich zu schützende üöffentliche
Interessen nicht beeinträchtigt oder gefährdet werden. Tritt eine derartige
Beeinträchtigung oder Gefährdung polizeilich zu schützender Interessen ein,
wird insbesondere im vorliegenden Falle durch mangelhafte Entwässerung
des Grundstücks eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder für die Ord-
nung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der öffentlichen Straße
verursacht, so ist die Polizeibehörde auf Grund des § 10 Tit. 17 T. II AL.
und des 86 des Gesetzes vom 11. März 1850 (GS. S. 265) berechtigt, dem
Grundstückseigentümer die Abstellung des Mißstandes aufzugeben. Dem steht
im vorliegenden Falle auch nicht etwa der Umstand entgegen, daß die bean-
standete Entwässerungsanlage sich außerhalb des Grundstücks der Klägerin
im Bürgersteige befindet und daß nach dem im Ortsstatute der Stadt H. vom
15. Juli 1890 wiedergegebenen Rechtszustand in H. die Unterhaltung der
Bürgersteige der Stadt obliegt. Denn die Ausflußrinnen sind keine Bestand-
teile des Bürgersteigs, vielmehr handelt es sich bei ihnen um unmittelbar mit
dem Gebäude für dessen Zwecke verbundene bauliche Anlagen. Es kommt daher
nicht eine wegebauliche Leistung, sondern eine baupolizeiliche Anforderung in
Frage, welche an den Grundstückseigentümer zu richten ist. Der Gerichtshof
hat diesen Grundsatz in den Urteilen vom 8. März 1896 und 14. April 1897
(Entsch. des OVG. Bd. 29 S. 256 und Bd. 31 S. 356) bereits für Rinnen,
welche an Dachabfallrohre anschließend durch den Bürgersteig führen, ausge-
sprochen. Selbstverständlich muß er sinngemäß auch auf Hausentwässerungs-
rinnen, wie die hier vorliegende, angewendet werden.
Sonach war die Polizeibehörde an sich berechtigt, im Falle der Gefähr-
dung der ihrem Schutze anvertrauten öffentlichen Interessen der Klägerin
als der Grundstückseigentümerin die Herstellung einer die vorhandenen Miß-
stände ausschließenden Abflußrinne aufzugeben. Aber auch die weitere Frage,
ob im vorliegenden Falle die ein Einschreiten der Polizeibehörde rechtfer-
tigenden tatsächlichen Voraussetzungen gegeben waren, ist unbedenklich zu
bejahen. Denn bei einem im Bürgersteige befindlichen, geschlossenen, eiser-
nen Rohre liegt die begründete Besorgnis sehr nahe, daß wegen Unmöglichkeit
einer ausreichenden Reinigung des Rohres die Abwässer bei Verschlammung
auf den Bürgersteig laufen und dort durch Stagnation die öffentliche Ge-
sundheit gefährden oder im Winter durch Eisbildung eine Gefahr für die
Sicherheit des Verkehrs hervorrufen können. Auch rechtfertigt die glatte
Oberfläche des Kastenrohrs die Befürchtung, daß auf ihr bei Frost oder Schnee-
wetter Fußgänger leicht zu Falle kommen können. Der Zustand der vor-
Die Polizeiverwaltung gab deshalb der Frau F. auf, die Rinne durch eine andere zu
ersetzen, die einen abnehmbaren gerippten Deckel habe und sich jederzeit leicht reinigen
lassen müsse. Nach erfolgloser Beschwerde erhob Frau F. Klage. Das OW. wies die-
selbe zurück.