§ 21. Baurecht. 289
dieses Recht nur für beabsichtigte oder auch für ausgeführte Bauten gegeben ist,
verwertet werden. Entscheidet man jene Frage auch im Sinne der zweiten
Alternative, so kann die tatsächliche Zulassung polizeiwidriger Zustände
seitens der Baupolizeibehörde rechtlich doch niemals die Dispenserteilung er-
setzen. Darüber hat bisher weder in der Verwaltung noch in der Verwaltungs-
rechtsprechung ein Zweifel bestanden, daß ein von der Baupolizeibehörde
rechtswidrig, d. h. gegen eine strikte, keine Ausnahme seitens der Behörde
und kein freies Ermessen derselben zulassende Vorschrift einer Polizeiver-
ordnung, konsentierter und zugelassener Bau jederzeit wieder von der Bau-
polizeibehörde selbst in seinem Bestande angefochten und seine Umänderung
oder Beseitigung nach Maßgabe des jeweilig bestehenden materiellen Bau-
rechts gefordert werden kann. Unmöglich wird dies aber gemacht, sobald die
Baupolizeiordnung Dispense von solchen strikten Bestimmungen zuläßt und
ein solcher Dispens erteilt wird. — Durch diesen Akt wird das materielle Bau-
recht wie für einen erst bevorstehenden, so für einen begonnenen oder vollen-
deten Bau derartig geändert, daß er, dem Dispense entsprechend ausgeführt,
jeder Anfechtung seitens der Baupolizeibehörde entrückt ist, eine rechtliche
Wirkung, welche die bloß tatsächliche Zulassung polizeiwidriger Bauten durch
die Baupolizeibehörde niemals üben kann.“
II. Baupolizeibehörden.
A. Die Verwaltung der Baupolizei in bautechnischer Hinsicht
und in Hinsicht auf die Bestimmungen des ALR. und des PVG. vom
11. März 1850 liegt bei der Ortspolizei. Ist letztere besonderen
königlichen Behörden übertragen, so kann der Minister des Innern
die sachliche Zuständigkeit der Königlichen Polizeibehörde und der
städtischen Polizeiverwaltungen abgrenzen, insbesondere also auch die
Baupolizei der Königlichen Polizeibehörde übertragen oder der städ-
tischen Baupolizeiverwaltung überweisen. Sog. Baudeputationen und
Bauausschüsse sind lediglich Verwaltungsausschüsse der Kommunen,
denen die Verwaltung des städtischen Bauwesens übertragen ist. (Vgl.
8§59 Städteordnung v. 30. Mai 1853.)
Ist die Feuer= und Hochbaupolizei der städtischen Polizei-
verwaltung übertragen, während die Handhabung der gesamten
Sicherheitspolizei der Königlichen Polizeidirektion verblieben ist,
so sind alle Anordnungen bezüglich der Bau= und Feuerpolizei von
der städtischen Polizeiverwaltung ausschließlich zu treffen, z. B. bau-
liche Veränderungen infolge Feuersgefahr (OVG. 39 S. 368). Ist
die Baupolizei schlechthin der Stadtverwaltung, die Gesundheits-
polizei der Königlichen Polizeibehörde übertragen, so können gleich-
wohl Verfügungen der Baupolizei auch auf gesundheitspolizeilichen
Gesichtspunkten beruhen, da die meisten Vorschriften der Bauordnungen
gesundheits= oder anderweitigen Interessen dienen, denn die Sorge
für Leben und Gesundheit ist nach §6 des PVG. ein Zweck der Bau-
polizei. Bedroht also der Zustand eines Gebäudes Leben oder
Gesundheit, so hat die Baupolizei einzuschreiten, nicht die Gesund-
heitspolizei. Hierbei ist es nicht nötig, daß bauliche Maßnahmen
Mohn, Verwaltungsrecht. (Praktischer Teil.) 19