Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

8§ 21. Baurecht. 323 
meinde selbst ausgeht, so ist sie in der Lage, zu beschließen, ob es das zu 
beachtende Interesse der Straßenführung verlangt, daß ein schon bestehen- 
des Gebäude von der Fluchtlinie berührt und dadurch der Preis der zur 
Straße zu ziehenden Grundfläche beeinflußt werde. 
Mit dieser Ansicht steht auch der Wortlaut des §11 im Einklange. 
Denn wenn dort gesagt ist, daß „mit dem Tage, an welchem die im § 8 vor- 
geschriebene Offenlegung beginnt, die Beschränkung des Grundeigentümers, 
daß Neubauten, Um-- und Ausbauten über die Fluchtlinie hinaus versagt 
werden können, endgültig eintritt“, so ist damit der zuständigen Baupolizei- 
behörde die Aufgabe zugewiesen, im Interesse der Gemeinde darüber zu 
wachen, daß von jenem Zeitpunkte ab eine bauliche Veränderung auf künftigem 
Straßenlande nicht ohnc die erforderliche Genehmigung vorgenommen werde, 
daß vielmehr das Gelände, welches durch die Fluchtlinienfestsetzung der zu- 
künftigen Straße vorbehalten wird, bezüglich der Bauten in dem Zustand er- 
halten bleibe, den es zur Zeit der Festsetzung der Fluchtlinie hatte .“ 
Aus diesen Gründen folgert das OV., daß auf Grund des 
§ 11 nicht nachträglich die Beseitigung von Neu-, Um= und Ausbauten 
verlangt werden kann, die zwar über eine Fluchtlinie herausragen, 
aber bereits, wenn auch ohne die vorgeschriebene baupolizeiliche Er- 
laubnis, ausgeführt worden sind, ehe sich die Gemeinde organe 
über den Fluchtlinienplan geeinigt hatten. 
Andererseits kann die Polizei die Beseitigung solcher Neu- 
bauten, Um= und Ausbauten über die Fluchtlinie hinaus fordern, 
welche nach erfolgter Einigung der Gemeindebehörden über den Flucht- 
linienplan, aber vor dessen Offenlegung, ohne polizeiliche Erlaubnis 
errichtet worden sind: 
„Der Umbau ist ohne die hiernach erforderliche polizeiliche Genehmigung 
ausgeführt worden. Dies ist unstreitig im Januar 1909 geschehen. Bereits 
vorher, im Juni 1908, hatten sich die Gemeindebehörden, wie in der Klage 
nicht mehr bestritten worden ist, unter Zustimmung der Polizeibehörde über 
die Festsetzung einer Baufluchtlinie für die F.str. geeinigt, durch welche das 
Haus der Klägerin durchschnitten wird. Über diese Fluchtlinie tritt der Umbau 
sowohl mittelbar, weil die Fluchtlinie die betroffenen Räume durchschneidet, 
wie auch unmittelbar, weil die veränderten Fenster vor der Fluchtlinie 
liegen, hervor. Auf ihn findet deshalb § 11 des Fluchtliniengesetzes An- 
wendung. Danach tritt die Beschränkung des Grundeigentümers, daß Neu- 
bauten, Um= und Ausbauten über die Fluchtlinie hinaus versagt werden 
können, endgültig allerdings erst mit der förmlichen Festsetzung gemäß § 8 
a. a. O., nach der Absicht des Gesetzes aber, welche in der Hinzufügung des 
Wortes „endgültig“ im §11 seinen Ausdruck gefunden hat, schon während 
des Festsetzungsverfahrens ein. Der im Gesetze nicht näher bestimmte maß- 
gebende Zeitpunkt innerhalb dieses Verfahrens ist für den Fall, daß die Auf- 
stellung des Planes dem Vorgehen der Gemeinde entsprungen ist, nach der 
ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts in der vollzogenen 
Einigung der Gemeindebehörden über festzusetzende Fluchtlinie zu finden, 
weil mit diesem Zeitpunkte, mit welchem das Verfahren über das Stadium der 
bloßen Vorberatung hinaus gediehen und die Lage und Richtung der gewollten 
Fluchtlinie bestimmt ist, das im Gesetze geschützte Interesse der Gemeinde an 
der Verhinderung von Bauten, welche der Durchführung des Fluchtlinien- 
plans entgegenstehen würden, wirksam wird. Eine Offenlegung des Planes 
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